Deckname TOPAS – Der Spion Rainer Rupp in Selbstzeugnissen

Klaus Eichner, Karl Rehbaum,
Deckname Topas – Der Spion Rainer Rupp in Selbstzeugnissen

Rainer Rupp arbeitete in der NATO-Zentrale in Brüssel. Dort war er der wichtigste Mann der DDR-Aufklärung und damit auch Moskaus. Seine Informationen waren von existenzieller Bedeutung. Zu Beginn der 80er Jahre, auf dem Höhepunkt der Raketenkrise, gab er Entwarnung: Die NATO plane keinen Überfall auf den Osten. Der Atomkrieg fiel aus. Klaus Eichner und Rupps damaliger Führungsoffizier Karl Rehbaum haben unveröffentlichte Briefe, Selbstzeugnisse und Texte zusammengetragen, die das Bild eines überzeugten Friedenskämpfers zeigen und spannende Einblicke in die Arbeit eines militärischen Aufklärers geben.

ISBN 978-3-360-01846-5

Rezension in:“junge Welt” vom 25.03.2013 / Politisches Buch / Seite 15
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Der Aufklärer
Ein Band mit Selbstzeugnissen Rainer Rupps
Von Arnold Schölzel

Rainer Rupp wurde am 15. September 1945 in Saarlouis geboren, machte 1966 Abitur und studierte Volkswirtschaftslehre in Mainz, Brüssel und Bonn. 1968 wurde er von der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) als Inoffizieller Mitarbeiter angeworben mit dem Ziel, in der NATO oder der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) tätig zu werden. Nach dem Diplom 1974 arbeitete er wissenschaftlich an der Universität Brüssel und als Direktor einer belgischen Industriebank, bis er 1977 bei der NATO angestellt wurde. Bis zu seiner Verhaftung und der seiner Frau am 31. Juli 1993 war er Mitarbeiter im Wirtschaftsdirektorat der Politischen Abteilung. 1979 erhielt er von der HVA den Decknamen »Topas« und wurde der wichtigste Aufklärer der Warschauer Vertragsstaaten im Westen. Am 15. Januar 1990 flüchtete MfS-Oberst Heinz Busch, der für alle militärpolitischen Analysen der HVA verantwortlich war, aus der DDR und informierte bundesdeutsche Behörden u. a. darüber, daß in der NATO-Zentrale eine Quelle unter dem Decknamen »Topas« saß. Nach mehr als einjähriger Untersuchungshaft verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf Rupp am 17. November 1994 zu zwölf Jahren Haft, die er in den Justizvollzuganstalten Saarbrücken bzw. Saarlouis verbüßen sollte. Es war die höchste Strafe, die nach dem DDR-Anschluß 1990 gegen HVA-Mitarbeiter ausgesprochen wurde. Gnadengesuche an die Bundespräsidenten Roman Herzog und Johannes Rau wurden abgelehnt (trotz einer Intervention Martin Walsers 1998). Der politische, rechtsferne Rachecharakter von Urteil und Haft drückt sich auch darin aus, daß Rupp fast zwei Drittel seiner Strafe unter zum Teil strikten Restriktionen verbüßen mußte, während DDR-Aufklärer z.B. in Bayern nach der Hälfte der Zeit entlassen wurden. Er kam erst im Jahr 2000 auf freien Fuß und arbeitet seitdem publizistisch vorwiegend für junge Welt (eine Tatsache, die merkwürdigerweise von Herausgebern oder Verlag stiefmütterlich behandelt wird – um es zurückhaltend auszudrücken).
Schikanen
Der von Klaus Eichner und Karl Rehbaum herausgegebene Band »Deckname Topas. Der Spion Rainer Rupp in Selbstzeugnissen« enthält diesen Lebenslauf in Form einer kurzen Chronik am Schluß. Den Auftakt des Buches macht aber »Die Jagd auf ›Topas‹«, d. h. der Verrat und die Bildung einer eigenen Fahndungsgruppe in der Bundesrepublik. Sie beendete 1993 einen der spektakulärsten Spionagefälle des 20. Jahrhunderts, allerdings erst mit Nachhilfe durch die CIA, die nach Auswertung der HVA-Personaldateien ihren bundesdeutschen Partnern dies und jenes überließ.
Es folgen im weiteren Zeugnisse zu Herkunft und Entwicklung Rupps, u.a. das Urteil des Düsseldorfer Gerichts, das ausdrücklich den friedenswahrenden Charakter seiner Spionagetätigkeit hervorhob, und Briefe aus der Haft.
Aus den Briefen ist zu erfahren, welchen Schikanen der Häftling im SPD-regierten Saarland ausgesetzt war. Der damalige Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble hatte sich für eine Amnestie der ostdeutschen Spione ausgesprochen, eine Einigung unter den Bundestagsparteien scheiterte aber maßgeblich an der SPD. Die Verrenkungen der Saar-Justiz, wenn es um angemessene Arbeit, um vernünftige Unterbringung, um Besuche oder schließlich um »Außenlockerung«, also Freigang, ging, die hier geschildert werden, sind haarsträubend. Auf die Gesundheit des Häftlings wurde keine Rücksicht genommen. Eine Änderung erfolgte erst durch ein Urteil des Oberlandesgerichts. Die Gefängnisleitung hatte z.B. die Ablehnung einer »Außenlockerung« mit Fluchtgefahr begründet: Der Gefangene lasse »die erforderliche Einsicht in seine Verurteilung bis dato vermissen«, als langjähriger Spion könne er sich ohne weiteres entsprechende Ausweispapiere besorgen, und erschwerend komme hinzu, »daß er die Meinung vertritt, daß sich mit dem Untergang der DDR eigentlich auch der Strafzweck hinsichtlich seiner Person erledigt hat«.
Haßtiraden
Der Band enthält allerdings nicht nur die Chronik eines Justizskandals, es geht auch um andere Ärgernisse, etwa die gespaltene Haltung der damaligen PDS-Fraktion im Bundestag, als Rupp dort während seiner Haft angestellt werden sollte. Am 8. Januar 1999 teilten z.B. die PDS-Abgeordneten Petra Bläss, Petra Pau, Ulla Lötzer, Angela Marquardt, Ruth Fuchs, Christine Ostrowski, Carsten Hübner, Uwe Jens Rössel und Gerhard Jüttemann in einer »persönlichen Erklärung« mit, sie lehnten einen Honorarvertrag mit Rupp ab. Das konterkariere die PDS-Bemühungen, »sich mit der DDR-Vergangenheit auseinanderzusetzen …«. Das fiel hinter das Düsseldorfer Gericht zurück und übertraf fast die Haßtiraden einiger ostdeutscher Kollaborateure vulgo »Bürgerrechtler« gegen ihn. Rupp verzichtete seinerzeit auf die Anstellung. 2003 trat er aus der PDS aus. Im jW-Gespräch mit Peter Wolter, das in diesem Band abgedruckt ist, sagt er zu seiner heutigen Tätigkeit: »Ich mache im Grunde genommen dieselbe Arbeit wie früher.« Ein Aufklärer.

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