Aufmarsch gegen Nordkorea: Wem nützt das Zündeln im Fernen Osten? (I)

21.04.2017

Der ehemalige Pentagon-Chef William Perry macht deutlich, dass von Nordkorea kein Angriff zu erwarten ist. Wenn das aber stimmt: Warum gibt es dann den massiven militärischen US-Aufmarsch in Südkorea und der ganzen Region?

von Rainer Rupp

Nordkorea ist eine Bedrohung, so geht die Erzählung. Nicht nur eine Bedrohung für die Amerikaner, sondern für uns alle, von Japan bis Deutschland. Deshalb sitzen wir alle in einem Boot und wir sollen Angst haben vor dem irren, fetten Jungen und dessen gefährlichem Nuklearspielzeug.

Das ist auch der Grund, so geht die Erzählung weiter, warum US-Flugzeugträger, voll bestückt mit Kampfjets und begleitet von einer Armada weiterer Kriegsschiffe, derzeit auf die koreanische Halbinsel zusteuern.

Das sei auch der Grund, warum die kampfstärksten Soldaten der US-Streitkräfte derzeit in Südkorea intensiv Kommandooperationen üben, angeblich mit dem Ziel, Kim Jong-un und dessen Umfeld zu eliminieren.

Auch als Begründung dafür, dass die Regierung in Japan, ein starker Verbündeter der USA, derzeit öffentlich darüber nachdenkt, Truppen nach Südkorea zu verlegen, muss böse Diktator-Junge aus dem Norden herhalten: Angeblich geht es nämlich darum, japanische Bürger dort vor einem Angriff aus dem Norden zu schützen. Tatsächlich bahnt sich auf der koreanischen Halbinsel eine bisher einzigartig starke Konzentration der mächtigen Streitkräfte der USA, Japans und Südkoreas an, und das alles gegen den kleinen und verarmten Norden? Hier kann etwas nicht stimmen.

Wollen die Fabulanten in Politik und Medien uns tatsächlich glauben machen, dass nur die vereinte militärische Macht der USA, Japans und Südkoreas Kim Jong-un davon abhalten könne, seine Nachbarn anzugreifen? Aber wie soll man das Säbelrasseln der USA, einschließlich ihrer nuklearen Drohgebärden, gegen Nordkorea interpretieren?

Angriff durch Nordkorea widerspricht jeder Logik

Bei geopolitischen Analyse würde es den so genannten Experten unserer Mainstreammedien guttun, erst einmal einen Blick auf die Landkarte zu werfen. Auch im Fall von Nordkorea wäre das dringend vonnöten gewesen. Schnell hätten sich dann nämlich die angeblich so furchterregende Bedrohung aus dem Norden als harmlos erwiesen. Denn das kleine, 24 Millionen Einwohner zählende Nordkorea liegt zwischen dem von der US-Supermacht besetzten Gebiet im Süden, grenzt im Norden hauptsächlich an die aufsteigende Supermacht China und im extremen Nordosten an Russland.

Wie bizarr muss die Welt in den Köpfen der westlichen Politiker und Medienschaffenden aussehen, um überhaupt auf die Idee zu kommen, Kim Jong-un und die nordkoreanische Führung könnten sich irgendeinen Vorteil von einem Angriff gegen ein Nachbarland ausrechnen?

Selbst für William Perry, Chef des Pentagon unter Präsident Bill Clinton, steht fest, dass Nordkorea niemals als Erster angreifen wird. Der Grund ist ganz einfach: Kim und seine Leute wollen nicht sterben. Im November 2016 – gerade hatte die jüngste Medien-Kampagne gegen Nordkorea begonnen – hatte Perry gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN gesagt:

“Ich glaube nicht, dass das nordkoreanische Regime selbstmörderisch ist. Unprovoziert wird es keinen Atomangriff gegen jemanden starten.”

Offensichtlich geht Perry davon aus, dass auch Kim Jong-un die militärpolitische Lage auf der koreanischen Halbinsel mit gesundem Menschenverstand analysiert und er und seine Führungsriege nicht von einem kollektiven Bedürfnis zum Massenselbstmord besessen sind. Genau diesen Eindruck versuchen uns aber die Mainstreammedien in ihren Erzählungen über Nordkorea zu vermitteln. Aber jeder, der auch nur ein bisschen logisch denken kann, kommt unausweichlich zu dem Schluss, dass Nordkorea für keinen seiner Nachbarn eine Bedrohung darstellt.

Ungesunde Obsession

Nordkorea wird keinen Nachbarstaat aus freien Stücken angreifen. Wenn es jedoch selbst bedroht, in die Enge getrieben oder gar angegriffen wird, dann ist davon auszugehen, dass das Regime mit allen Mitteln, auch mit Nuklearwaffen, zurückschlägt. Vor diesem Hintergrund tun die USA nichts, um die Lage zu entspannen, aber alles, um Nordkorea weiter zu provozieren.

In letzter Zeit wird die Beschäftigung mit dem Land auffallend exzessiv: US-Großmanöver vor der nordkoreanischen Küste, die Entsendung zwei weiterer Flugzeugträger-Kampfgruppen in die Region, der demonstrative Abwurf der “Mutter aller Bomben” in Afghanistan – verbunden mit unterschwelligen Drohungen gegen die Nuklearanlagen Nordkoreas, der US-Test-Abwurf eines neuen Atomwaffentyps mit einem F-16 Jagdbomber, die Medienberichte, dass US-Spezialeinheiten in Süd Korea den Enthauptungsschlag gegen die politische und militärische Führung Nordkoreas üben… All das sind Beispiele dafür, wie die Kriegstreiber in Washington derzeit die Spannungen im Nordostasien in unmittelbarer Nähe zur chinesischen und russischen Grenze schüren.

Wenn aber von Nordkorea kein Angriff zu erwarten ist, sofern man das Land in Ruhe lässt, es nicht in die Enge drängt oder zum Krieg provoziert, dann muss man sich die Frage stellen: Warum gibt es aktuell diesen massiven militärischen US-Aufmarsch in Südkorea? Sollte die Absicht dahinterstecken, durch den Aufbau dieser Drohkulisse Nordkorea doch noch dazu zu bringen, sein Atomwaffenprogramm aufzugeben, dann wird sich Washington auch diesmal wieder die Zähne an Pjöngjang ausbeißen. Wahrscheinlicher ist es aber, dass sich der Aufmarsch vordergründig gegen Nord-Korea richtet, tatsächlich aber China getroffen werden soll.

Dazu mehr in Teil II: Den „Sack“ Nord Korea schlagen, um den „Esel“ China zu treffen.

Erschienen bei RT Deutsch am 21.04.2017