Mit der US-Monroe-Strategie gegen Völkerrecht und Souveränität der Staaten

In der zweiten Hälfte dieses Jahres wird an zwei Ereignisse erinnert, die Millionen Menschen bewegten und Ausdruck aggressiver Außenpolitik der USA sind.

Vor 40 Jahren, am 11. September 1973, wurde das nach freien Wahlen gebildete demokratische Regierungsbündnis unter Salvador Allende in Chile durch einen von der CIA organisierten und unterstützten Militärputsch beseitigt;
vor 30 Jahren, am 25. Oktober 1983, landeten US-Truppen auf der karibischen Insel Grenada, putschten gegen die Regierungspartei der New Jewel Movement und installierten eine US-getreue Regierung.
Beide gegen das Völkerrecht und gegen die Souveränität selbständiger Staaten gerichteten Aktionen sind in der Monroe-Strategie der USA begründet.

James Monroe regierte als 5. Präsident der USA von 1816 bis 1825.
Die nach ihm benannte 1823 erlassene Monroe-Doktrin warnte die europäischen Kolonialmächte davor, sich in die “Angelegenheiten” der “Neuen Welt” einzumischen und drohte zugleich “… um der Aufrichtigkeit und der freundschaftlichen Beziehungen Willen … müssen wir doch erklären, dass wir jeden Versuch von deren Seite, ihr System auf irgend einen Teil dieser Hemisphäre auszudehnen, als eine Gefahr für unseren Frieden und unsere Sicherheit ansehen.”
Diese Drohung während Zeit der Unabhängigkeitskriege in Amerika ausgesprochen, war verbunden mit der politischen Stärkung der Unionsregierung und einem enormen Ausbau des Militärs, besonders der Marine.
Von den folgenden Präsidenten der USA wurde die Monroe-Doktrin den veränderten Bedingungen auf dem Weg zur Weltmacht angepasst. Mit den jeweiligen “Nationalen Sicherheitsstrategien” sollte die “Souveränität und Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten” gewährleistet werden. In der Welt sollte das geschehen, was die künftige Weltmacht USA in ihrem ureigensten Interesse für “demokratisch” und “rechtstaatlich” einschätzte und auch in der Gegenwart für legitim hält.

Hervorzuheben sind zwei wesentliche Entwicklungen der Doktrin:

Die Erklärung Harry S. Trumans nach dem Zweiten Weltkrieg , dass die Monroe-Doktrin für jeden Teil dieser Welt Gültigkeit hat.

Er stellte hierzu fest…”wenn wir in unserer Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden der Welt – und wir schaden mit Sicherheit der Wohlfahrt unserer eigenen Nation” und zweitens die nach dem 11. 9. 2001 durch Präsident Busch in der “National Security Strategy” erfolgte Bestätigung, dass Präventivkriege ein Element bei der Durchsetzung der Doktrin sind.

Salvador Allende hatte sich bereits 1958 und 1964 um die Präsidentschaft in Chile beworben. Sein Programm einer friedlichen Entwicklung mit dem Ziel eines demokratischen Sozialismus mit grundlegenden sozialen Reformen bedeutete für die USA erklärtermaßen eine Gefährdung “der Sicherheit und Wohlfahrt”.

Im Jahre 1999 hatte Bill Clinton der Veröffentlichung von Material zugestimmt, das im Zusammenhang mit den Aktionen gegen Chile stand, auch über CIA-Operationen. 1975/1976 hatte bereits ein Sonderausschuss des US-Senats die Verstrickungen der USA in den Militärputsch untersucht und bestätigt.
Was schon vorher weltweit bekannt war: Spätestens seit 1963 laufen verdeckte Operationen der CIA in Chile, um die Wahl Allendes zum Präsidenten zu verhindern. Hierzu existierte zunächst der Plan “Track I”.
Nachdem das nicht gelang, auch nicht mit der kurz vor der Wahl 1970 erfolgten Ermordung des Allende-treuen Oberbefehlshaber des Heeres René Schneider nachweislich durch US-Söldner wurde mit dem Plan “Track II” Kurs auf die allseitige Destabilisierung der Regierung Allende mit dem Ziel eines Militärputsches genommen.
Diese Pläne der CIA sind weitgehend bekannt geworden. Präsident Allende klagte in seiner Rede vor dem Plenum der XXII. Vollversammlung am 04.12.1972 die Aktionen des Imperialismus gegen Chile unter Führung der USA an.1)

CIA-Chef Richard Helms koordinierte die Aktionen, organisierte Schwierigkeiten in der Wirtschaft und Versorgung, übte massiven Einfluss auf die Christdemokratische Partei aus, unterstützte aktiv die konservative, Allende-feindliche Zeitung
“El Mercurio” und bereitete systematisch den Militärputsch mit US-hörigen Offizieren der Armee, besonders in den Luftstreitkräften, vor.

Eindeutig bestätigt ist auch die aktive Rolle Henry Kissingers, wie Obama ebenfalls Friedensnobelpreisträger, bei den Aktivitäten zum Sturz Allendes.

Mitte 1973 war eine besorgniserregende Lage in Chile entstanden. Die LKW-Fahrer, deren Tätigkeit für das Land ohne wesentliche Eisenbahnlinien unersetzlich ist, streikten (wie sich später herausstelle mit aktiver politischer und finanzieller USA-Unterstützung), die Versorgung war in Gefahr. Zehntausende Demonstranten befanden sich auf Straßen und Plätzen.

In dieser Situation ging im August 1973 bei der Aufklärung der DDR eine wichtige Information von einer Top-Quelle aus dem BND ein. Ohne Angabe eines Termins hieß es darin, dass in Chile ein Militärputsch unmittelbar bevorstünde. Anfang September wurde diese Information über Parteikanäle Allende und Corvalan zugeleitet; beide haben diese jedoch nicht ernst genug genommen. Sie glaubten an die Verfassungstreue der Militärs, zumal es vorher mehrere Bekundungen in dieser Hinsicht gab.

“Die Tatsache, dass im Generalstab die Mehrheit gegen die Regierung der Unidad Popular stand, dass Hinweise auf die Pläne der CIA vorlagen und der Marineadjutant Allendes, Kapitän Araya, ermordet wurde, ließen allerdings Zweifel an der Verfassungstreue aufkommen. Allende und Corvalan sahen das offenkundig nicht so. Sie schätzten die Lage falsch ein und wurden in gewisser Weise vom Putsch am 11. September überrascht. Der ursprüngliche Plan der CIA und Pinochets sah den Staatsstreich in der ersten Septemberwoche vor. Allende sollte in jener Zeit in Algier weilen. Wegen der angespannten innenpolitische Lage sagte der Präsident jedoch die Reise ab. Daraufhin legten die Putschisten den Termin fest:
den 11. September.” 2)
In den ersten Tagen nach dem Putsch suchten ca. 100 Chilenen Schutz auf dem Gelände der DDR-Botschaft, in der Regel Mitglieder der Parteien der Unidad Popular und Funktionäre des chilenischen Staates und der chilenischen Gesellschaft. Die Pinochet-Junta hatte bereits am ersten Tag des Putsches den vorbereiteten “Erlass Nr. 10” mit den 95 meistgesuchten Personen erlassen. Sieben davon befanden sich in der DDR-Botschaft, die nach der Aufkündigung der diplomatischen Beziehungen mit dem Pinochet-Chile unter dem Schutz Finnlands stand.

Es handelte sich um
– Charlos Altamirano, Generalsekretär der Sozialistischen Partei
– Vladimir Chavec, Gouverneur der Bergarbeiterregion O’Higgins Racagua
– Luis Guastavino, Fernseh- und Rundfunkkommentator
– Jorge Insunza von El Siglo, Mitglied der Politischen Kommission des ZK der KP,
Chefredakteur
– Alejandro Rochas, Präsident des Kommunistischen Studentenbundes
– Jose Miguel Varas, Leiter des KP-Senders Radio Magalanes
– Hugo Fazio, Vizepräsident der Staatsbank
Sie konnten vor dem Zugriff der Junta gerettet werden.

Carlos Altamirano, der von der Junta Meistgesuchte, wurde in einer spekulativen Aktion illegal mit geheimdienstlichen Mitteln und Methoden nach Argentinien ausgeschleust. Er war zunächst separat in der Botschaft bis zur Durchführung der Aktion am 05.11.1973 untergebracht. Wahrend der Vorbereitung wurde in Argentinien in einem PKW ein Personenversteck eingebaut, ein französischer Pass in der Zentrale der Aufklärung in Berlin hergestellt und ein mit BRD-Papieren ausgerüsteter inoffizieller Mitarbeiter der Aufklärung auf die Schleusung vorbereitet. In die erfolgreich und hochriskante Aktion waren mehrere DDR-Bürger einbezogen, die keinerlei Verbindung zum Ministerium für Staatssicherheit unterhielten.

Zur Vorbereitung weiterer Ausschleusungen war die “MS Neubrandenburg”, ein auf der Kuba-Route verkehrendes Handelsschiff der DDR-Flotte, nach Chile umgeleitet worden. Es befand sich mehrere Tage im Hafen von Valpariso unter Vortäuschung eines Maschinenschadens. An Bord waren Verstecke für Ausschleusungen vorbereitet. Diese Möglichkeit wurde jedoch nicht genutzt, da sich inzwischen andere Ausreisemöglichkeiten, auch offizieller Art, ergeben hatten. Hierbei haben sich die noch in der Vertretung befindlichen DDR-Bürger große Verdienste erworben, ebenso bei der Versorgung und Betreuung der untergebrachten chilenischen Bürger, die oft wochenlang auf ihre Ausreise warten mussten.

In seiner letzten Rede, gehalten am Tage des Putsches in der Moneda, klagte Allende den selbst ernannten Oberbefehlshaber Admiral Merino und den “niederträchtigen” General Mendoza als Verräter am chilenischen Volk an und er führt aus: “Ich habe die Gewissheit, dass sie Saat, die wir in das würdige Bewusstsein Tausender und aber Tausender Chilen gepflanzt haben, nicht herausgerissen werden kann. Sie haben die Gewalt, sie können uns unterjochen; aber die sozialen Prozesse kann man weder durch Verbrechen noch durch Gewalt aufhalten. Die Geschichte ist unser, sie wird von den Völkern geschrieben.” 3)

Am 25.10.1983 erfolgtet die Invasion der USA gegenüber der Inselgruppe in der Karibik Grenada mit der gleichnamigen Hauptinsel, 200 km nordöstlich von Venezuela gelegen. Diese Aggression wurde in der UNO, selbst von Großbritannien, missbilligt. Die USA hatten sie damit zu rechtfertigen versucht, dass angeblich die Sicherheit der in Grenada lebenden US-Bürger zu gewährleisten war. Aber die Beweggründe waren andere, sie haben ihre Erklärung in der Monroe-Doktrin.

Der USA-hörige und als Diktator bekannte Premier Eric Gairy war 1979 in einer unblutigen Revolution von der von Maurice Bishop gegründeten und geleiteten New Jewel Movement (NJM), einer linken Bewegung mit sozialistischer Zielsetzung, gestürzt worden.
Bishop leitete nach dem Beispiel Kubas soziale Reformen ein, so u. a. eine kostenlose Gesundheitsbetreuung, Bau von Schulen, Förderung des Genossenschaftswesens. Zur Förderung des Tourismus, neben der Ausfuhr von Gewürzen die einzige Einnahmequelle Grenadas, wurde mit dem Bau des Flugplatzes Point Salines begonnen mit Hilfe der Sowjetunion und Kuba.
Bishop unterhielt enge Beziehungen zur SU, Kuba und anderen sozialistischen Staaten. 1982 besuchte er die DDR und studierte das Genossenschaftswesen auf dem Lande.

Der Ermordung Maurice Bishops am 14.10.1983, angeblich als Folge innerparteilicher Differenzen in der NJW, folgte am 25.10.1983 die Invasion gegen das militärisch schutzlose Grenada und in Folge der Sturz der Regierung.
Besonders nach dem Amtsantritt Ronald Reagans, der mit einem umfassenden Wirtschaftsboykott gegen Grenada verbunden war, wurde die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes und die Vorbereitung auf die Beseitigung der progressiven Bewegung NJW und deren Repräsentanten forciert. Was gegen Kuba wegen des heldenhaften Widerstandes nicht gelang, das wurde gegenüber dem wehrlosen Grenada möglich.

Hochachtung und Bewunderung gilt uneingeschränkt dem sozialistischen Kuba, das sich seit der siegreichen Revolution 1959 den Plänen der USA und ihrer Helfershelfer widersetzt hat. Auch die 1962 durch die USA verschärfte Wirtschaftsblockade konnte die sozialistische Entwicklung nicht aufhalten.
Fidel Castro verwies in seinen Reden mehrfach auf die Monroe-Doktrin, der das kubanische Volk standgehalten hat. Auch das letztlich auf die Monroe-Doktrin zurückgehende Scheitern des sozialistischen Lagers mit der Weltmacht Sowjetunion und der Untergang der DDR – als engste Verbündete Kubas – und den dann folgenden verschärften politischen und wirtschaftlichen Blockaden hat Kuba widerstanden und unbeirrt den sozialistischen Kurs fortgesetzt, und das unter größten Entbehrungen und Einschränkungen für die Menschen.
Es ist in diesem Zusammenhang beschämend für Deutschland, dass die Regierung Kohl ohne Einschränkung der Monroe-Politik gefolgt ist und über 100 Abkommen, die zwischen der DDR und Kuba bestanden, aufgekündigt und völkerrechtswidrig mit einem Schlag gebrochen hat.

Im Zusammenhang mit der weltweiten NSA-Bespitzelung, auch wenn diese mit “Antiterrorkampf” begründet wird, in Wirklichkeit jedoch Bestandteil des Instrumentariums der Monroe-Strategie ist, wird von BRD-Regierungskreisen immer wieder auf Freundschaft und Dankbarkeit gegenüber der Noch-Weltmacht USA verwiesen. Dabei wird geflissentlich unterschlagen, dass die USA-Regierungen mit ihrer bisherigen Politik nichts anderes getan haben, als ihre Macht weltweit zu stärken und vermeintliche Gegner zu schwächen. Die BRD war mit ihrer zentralen Position in Europa Mittel zum Zweck, so wie die DDR für die Sowjetunion. “Freunde bespitzelt man nicht” – so klingt es wie aus einem Bilderbuch, das keine Monroe-Strategie kennt oder nicht kennen will.

Michael Wolffsohn, Historiker an der Bundeswehrschule in München, kommt da der Wahrheit schon näher. Als Anhänger und Verteidiger der US-Schurkentheorie mit klarem Feindbild in Richtung Osten, erscheint die Bundesrepublik aus seiner Sicht für die USA als unsicherer Verbündeter.
Als Beweis dafür werden die Ostpolitik Brandts, die Nichtbeteiligung an den Aktionen gegen den Iran und an dem Krieg gegen den Irak angeführt. Außerdem habe Kohl die USA im Golfkrieg 1991 in Stich gelassen. Und nun dürfe man sich nicht wundern, wenn die BRD in die Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen mit einbezogen werde.

Wie naiv muss man dann sein, um zu glauben, von den USA gleichberechtigt und ohne jeden Argwohn behandelt zu werden, zumal in Gestalt des ökonomisch und zunehmend auch politisch durch die BRD geführten Europas ein Konkurrent entsteht, der für die USA längst bedrohlich geworden ist.

Die ehemaligen DDR-Bürger haben da ihre Erfahrungen mit ihrer ehemaligen Führungs- und Weltmacht sammeln können. Um hierzu wenige Beispiel zu nennen:
Der DDR wurde der Verzicht auf den perspektivischen Aufbau einer Flugzeugindustrie “nahegelegt”; hinter unserem Rücken und ohne jede Information darüber bestanden Sonderverbindungen und -beziehungen zwischen der Alt-BRD und der Sowjetunion; schließlich passte die DDR als damals treuester Verbündeter der UdSSR nicht mehr in das Konzept der ehemaligen und nunmehr wieder angestrebten Weltmacht.

Ob möglicherweise DDR-Bürger mehr aus der Vergangenheit in Richtung Ost und West gelernt haben als die BRD-Regierung?
Oder ist gespielte Naivität bewusste Unterwürfigkeit bis zur Aufgabe der nationalen Souveränität?

Quellen:
1. SAPMO Dy 30/verl. SED / 35 393
2. “Flucht vor der Junta” edition ost 2005, S. 86
3. ebenda S. 217