Der NATO-Gipfel und die Krise in der Ukraine – einige Gedanken:

Die NATO erklärt sich permanent zum Hort des Friedens und wäre es auch, wenn sie sich an ihr Gründungsdokument, den „Nordatlantikvertrag“ vom 04.04.1949 halten würde.

Der Artikel I des Vertrages lautet:  

„Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist.“  

Die USA geführte NATO hält sich aber weder an ihren eigenen Vertrag, noch an andere völkerrechtlich bindende Regeln. Im Bestreben, sich alles unterzuordnen, betreibt die USA insbesondere gegenüber  der VR China und Rußland eine aggressive Politik der Einkreisung, der militärischen und ökonomischen Bedrohung.

Obwohl die USA das 21. Jahrhundert zum pazifischen Jahrhundert ihrer Politik erklärt haben, bleibt Rußland weiterhin der vorrangige Feind und ist Schwerpunkt der amerikanischen Europapolitik. Ob die USA beide Schwerpunkte verkraften, sei dahingestellt.  

Auch der NATO-Gipfel am 04. und 05. 2014 in Wales ist Ausdruck einer solchen Politik. Auf dem Gipfel wurden 4 Erklärungen verabschiedet, und zwar  

– die Gipfelerklärung von Wales zu Afghanistan

– die Erklärung der Staats- und Regierungschefs der NATO zu den Streitkräften

– die Erklärung von Wales zur transatlantischen Bindung und

– die gemeinsame Erklärung der NATO – Ukraine – Kommission.  

Bekanntlich gibt es seit 1997 die NATO – Ukraine – Kommission als spezielle Form der Zusammenarbeit.

Durch die EU und NATO, herausgehoben auch durch die USA, wird seit längerem eine Politik der forcierten Einflussnahme auf und  Einbindung der Ukraine in die EU und NATO betrieben. Dies geschieht durchaus auch in Konkurrenz zwischen den USA und den sogenannten „Europäern“. Letztlich führte dies zur derzeitigen höchst gefährlichen Situation in der Ukraine, mit den Problemen Krim, Bürgerkrieg, Stärkung des Einflusses der Faschisten auf die Politik, Rußlandfeindlichkeit usw., usf.. Statt beruhigend auf die Auseinandersetzungen in der Ukraine einzuwirken, betreiben NATO und EU eine Politik der Forcierung der Feindseligkeiten, gießen Öl ins Feuer.

Nur Dank der klugen und umsichtigen Politik des russischen Präsidenten Putin und seines Außenministers Lawrow ist es noch nicht zu schwerwiegenderen Auseinandersetzungen, zu einem Krieg zwischen Rußland und der NATO/ Ukraine gekommen. Die NATO unterstellt Rußland eine Annexion der Krim, als einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht. Rußland hat aber unzweifelhaft in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht ( Volksentscheid etc. ) gehandelt und trägt berechtigten geostrategischen Interessen Rechnung.  

Nun verlangt die Erklärung von Wales eine Vertiefung der strategischen Konsutationen in der NATO – Ukraine – Kommission. Als bereits vorhanden werden erklärt: Bestehende Programme zur Ausbildung im Verteidigungssektor, zur beruflichen Weiterbildung zum verantwortungsbewußten staatlichen Handeln im Sicherheitssektor und zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich ( zweifelsfrei eine betonte geheimdienstliche Zusammenarbeit ).  

Neue Programme wurden beschlossen und betreffen die Führungs- und Kommunikationssysteme, die Logistik und Standardisierung, die „Cyber“-Abwehr, die berufliche Neuorientierung für Militärangehörige und die strategische Kommunikation. Außerdem bat die Ukraine um militär-technische Hilfe.

Vereinbart wurde die Förderung der Interoperabilität der Streitkräfte  ( Anpassung an die NATO-Standards ), die Teilnahme der ukrainischen Streitkräfte an Übungen ( allein 2014 finden sowohl  mehrere Seemanöver, als auch solche der Landstreitkräfte der NATO gemeinsam mit anderen Armeen  auf dem Territorium der Ukraine bzw. im Schwarzen Meer statt ).

Interessant ist, dass von nicht NATO – Armeen solche beteiligt sind, die auf der Liste der NATO-Beitrittskandidaten stehen, wie Aserbaidschan, Georgien und Moldawien.

In der Wales – Erklärung werden die bisherigen Beiträge der Ukraine zu den Operationen des NATO-Bündnisses weltweit, zu den NATO- Reaktionskräften ( Response Force ) und zur Initiative „Streitkräfte im Verbund“ besonders hervorgehoben.  

Natürlich fehlt es in der Erklärung nicht an Demagogie seitens der NATO-Regierungschefs. So ist im letzten Absatz zu lesen:  

Wie bereits bei früheren NATO-Gipfeltreffen u.a. in Madrid, Bukarest, Lissabon und Chicago angemerkt, ist eine unabhängige, souveräne und stabile Ukraine, die sich fest der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, für die euro – atlantische Sicherheit von zentraler Bedeutung.“  

Die Interessen und Aktivitäten der USA, der „alten Europäer ( Frankreich, Deutschland, Großbritannien , Italien ), der „neuen Europäer“ ( ehemalige Staaten des Warschauer Vertrages, insbesondere Polen, Baltikum und Rumänien) und der EU hinsichtlich der Entwicklung in und um die Ukraine und der Politik gegenüber Rußland sind nur scheinbar einheitlich, in Wirklichkeit jedoch sehr differenziert. Dies betrifft die Parteien und Personenkreise auf welche man sich stützt, die ökonomischen Interessen, den völkerrechtlichen Rahmen der Handlungen etc..

Insbesondere die polnische Regierung agiert als Scharfmacher gegenüber Rußland und für eine Unterstützung der rechten Kräfte in der Ukraine. Unverständlich, da gerade in Polen bzw. gegenüber polnischen Bürgern die ukrainischen Faschisten eine Unzahl von Verbrechen begangen haben. Die Bandera- und anderne Faschisten haben bekanntlich tausende Polen ermordet und den polnischen Bevölkerungsanteil grausam unterdrückt.  

Auch die 3 baltischen Staaten und Rumänien sehen sich durch Rußland bedroht und fordern deutlich mehr Aktivitäten der NATO zu ihrer Sicherheit.  

In Wales wurde der „Plan höhere Bereitschaft“ beschlossen. Es wird eine schnelle Eingreifstreitmacht (Response Force) von bis zu 5000 Mann gebildet, die im Bedarfsfall in 2 bis 5 Tagen einsatzbereit sein soll. Es sollen in Polen, Rumänien und im Baltikum fünf neue Kommandostellen eingerichtet werden, mit je einer Mannschaftsstärke bis 6oo Mann. Das sogenannte „Diensthabende System“ fliegen weiterhin die „alten“ NATO-Staaten. Die AWACS- Luftaufklärung wird weiter aktiv bleiben.  

Die Gründungsakte des NATO-Rußland-Rates von 1997 verbietet völkerrechtlich verbindlich die dauerhafte Stationierung von NATO-Kampftruppen in Osteuropa. Ein weiterer Beweis, dass es die NATO mit dem Völkerrecht nicht so genau nimmt, dasselbe einfach ignoriert.

Schließlich werden die geplante Raketenabwehrsysteme in Polen stationiert und nicht etwa gegen den Iran oder Nordkorea, sondern eindeutig gegen Rußland.

Die schon existierende multinationale Brigade Nordost, mit Hauptquartier in Stettin und bestehend aus Truppen Dänemarks, Deutschlands und Polens, wird aufgerüstet und zur Kriegführung befähigt.  

Die NATO begründet alle ihr Handlungen mit der vermeintlichen Unterstützung der Kräfte in der Ostukraine durch Rußland, einschließlich einer nicht bewiesenen direkten militärischen Unterstützung. Die sehr widersprüchlichen und willkürlichen Behauptungen sind durch nichts bewiesen. So wird behauptet, Rußland habe 20 Bataillone im Donbass eingesetzt. Also mehr als 2 Divisionen. Die angeblich punktgenaue Satellitenaufklärung konnte dies aber bisher nicht bestätigen. Es fehlt an zeitnahen Belegen für die Behauptungen. Die USA und die NATO, einschließlich der Medien, bedienen sich vielmehr der Trickkiste, zeigen alte Aufklärungsbilder oder interpretieren Aufnahmen falsch.  

Wenn in der Vergangenheit immer wieder behauptet wurde, der Kalte Krieg sei seit dem Ende der Blockkonfrontation vorbei, so ist dies die Unwahrheit, eine Ablenkung von der aggressiven Politik der NATO. Der Kalte Krieg hat, wenn auch unwesentlich vermindert, auf allen Ebenen weiter gewirkt und hat derzeit eine beträchtliche Intensität. Die NATO, die EU, aber insbesondere die USA provozieren Rußland, aber auch die VR China, auf nahezu allen Ebenen. Unter anderem werden in jüngster Zeit Sanktionen verhängt, obwohl ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Da werden NATO-Manöver in der Ukraine durchgeführt, obwohl diese nicht Mitglied der NATO ist.

Mit den weitreichenden Sanktionen auf ökonomischem Gebiet entsteht eine neue COCOM – Politik.

Reagiert aber Rußland adäquat, ist das Geschrei groß.  

Die Forderung des NATO-Gipfels an seine Mitgliedstaaten, die Aufrüstung seiner Streitkräfte mit Finanzen in Höhe von 2 %  des BIP bedeutet bei Verwirklichung einen ungeheuren Rüstungsschub. Denn – bisher erfüllen von den 28 NATO-Staaten nur 4 die festgelegten 2 %.

Die psychologische Kriegführung hat ernorm zugenommen. Falschinformationen, Verfälschungen von tatsächlichen Ereignissen usw. sind täglich festzustellen. Ein klassisches Beispiel sind die Meldungen bezüglich des Abschusses der Passagiermaschine. Die NATO- Anrainer an die Ukraine und Rußland behaupten, dass sie von Rußland bedroht werden und sich ähnliches wie in der Ukraine ereignen könnte. Überhaupt wird, wie vor 1990 durch die NATO praktiziert, die Bedrohungslüge gepflegt und trotz aller deeskalierenden Maßnahmen Rußlands, Putin Aggressionsabsichten unterstellt. Die psychologische Kriegführung bringt abenteuerliche Ansichten / Forderungen mit sich. So haben polnische Wissenschaftler sogar den Bau eigener Atomwaffen verlangt.  

Den USA ist es gelungen die Widersprüche, die unterschiedliche Herangehensweise an die Ereignisse in der Ukraine einer mehr oder weniger gemeinsamen Strategie unterzuordnen.  Die USA sind bei der Verwirklichung ihrer Pläne gegenüber Rußland voran gekommen und haben ihre Verbündeten diszipliniert.  

Den aggressiven Handlungen der USA, NATO und EU, den permanenten Provokationen, der Kriegstreiberei muß energisch Widerstand geleistet werden. Da sind die Forderungen der Partei „Die Linke“ nach Auflösung der NATO oder Austritt Deutschlands aus der militärischen Integration zwar richtig, aber aktuell kaum realisierbar. Die Friedenskräfte sollten sich auf Forderungen nach Abzug der USA-Truppen aus Deutschland / Europa konzentrieren. Warum wird beispielsweise nicht  die Frage nach den Gründen des Aufenthaltes der US- Truppen in Deutschland immer wieder thematisiert, auch und vor allem im Bundestag. Warum erinnern wir uns nicht der Losung der 50er Jahre – „Ami go home“. Die USA-Streitkräfte in Deutschland / Europa sind überflüssig wie ein Kropf.  

Karl Rehbaum

13.10.2014