Atomkraftwerke geschlossen – Atombomben bleiben

Die folgenden Darlegungen sind eine persönliche Ansicht zur derzeitigen Debatte über die Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland an den in Büchel stationierten US-Atomwaffen.

Um es vorauszuschicken, die Teilhabe der BRD an den Atomwaffen der USA ist völkerrechtswidrig, denn Deutschland hat den Atomwaffensperrvertrag ratifiziert. Darin heißt es im Artikel I „dass Staaten die über Atomwaffen verfügen, die Kontrolle über diese Waffen nicht an nichtnukleare Staaten abgeben dürfen…“ Dies gilt zu jeder Zeit – auch im Kriegszustand. Ebenso trifft Artikel II des Vertrages vollinhaltlich zu. Dieser lautet:

„Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemanden mittelbar oder unmittelbar anzunehmen. Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung  von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen.“

Nunmehr  hat der SPD- Fraktionschef im Deutschen Bundestag Rolf Mützenich, unterstützt von den Vorsitzenden der SPD, eine Diskussion über die Stationierung bzw. Abzug der US-Atombomben in Büchel initiiert. Er erklärte richtig, Atomwaffen erhöhen nicht unsere Sicherheit, sondern bewirken das Gegenteil.

Diese Meinung von Mützenich löste eine heftige Gegenreaktion, nicht nur seitens CDU / CSU, sondern auch in der SPD-Fraktion aus.

Nun ist das Thema Abzug der Atomwaffen aus Büchel nicht neu, sondern seit Jahrzehnten in der politischen Auseinandersetzung.

Wir erinnern uns:

Am 14. Dezember 1966 wurde durch den Verteidigungsplanungsausschuss ( DPC ) der NATO die Nukleare Planungsgruppe ( NPG ) gegründet. Diese war u.a. gedacht zur Kontrolle der Nuklearpolitik der NATO und zur Beratung der Einsatzszenarien. Kurz – zur Festlegung der Kriterien und Verfahren für den Einsatz von Atomwaffen. Die NPG hat aber keine Entscheidungsbefugnisse; diesen liegen allein beim Präsidenten der USA. Frankreich und Großbritannien haben ihre Atomwaffen  der NATO nicht zur Verfügung gestellt. Bemerkenswert ist, dass die in 5 NATO-Staaten in Europa stationierten Atomwaffen auch in der Planung der USA im Nahen- und Mittleren Osten einsetzbar sind.

Bereits im März 1958 diskutierte der Bundestag die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Trägersystemen. Diese Trägersysteme sind Gegenstand der Teilhabe. In der Praxis gibt es eine dreifache Teilhabe.

1. Die politische Teilhabe durch Mitarbeit in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO hinsichtlich der Einsatzpolitik, Nuklearstrategie und Stationierung der Waffen.

2. Die nukleare Teilhabe durch Planung, Vorbereitung und Übung des Einsatzes der Waffen ( ein klarer Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag ). Übrigens auch ein Verstoß gegen den 2 plus 4 Vertrag, worin ein ausdrücklicher Bezug auf den Sperrvertrag enthalten ist.

3. Die technische Teilhabe durch Bereitstellung von Stützpunkten ( Büchel ), Flugzeugen ( Tornado ) und Personal.

Die bisher in Büchel stationierten Atombomben vom Typ B 61 – 3 bis 4 werden gegenwärtig zur B 61 – 12 „modernisiert“, eine lenkbare Bombe. Die B 61 Bomben haben das  bis zu 13 fache der Wirkung der Hiroshima-Bombe. Eingesetzt werden sollen diese US-Waffen durch das 33. Taktische Luftwaffengeschwader der Bundeswehr.

Seit Jahrzehnten protestieren Teile der Friedensbewegung, der Bevölkerung überhaupt, gegen die weitere Stationierung dieser gefährlichen Waffen auf deutschem Boden. Die Bundesregierung und die Parteien im Bundestag zeigten in der Vergangenheit einen recht widersprüchlichen Umgang mit diesem Thema. Während 2009 Steinmeier als damaliger Außenminister und 2010 Westerwelle ( FDP ) in gleicher Funktion den Abzug der Atomwaffen forderten und diese Forderung in den Koalitionsvertrag CDU/CSU – FDP aufgenommen wurde, scheiterte die Umsetzung u.a. an der Bundeskanzlerin Merkel und den besonders reaktionären Kräften in den Parteien. Heute sucht man in der aktuellen Koalitionsvereinbarung vergeblich nach der Zielstellung Abzug der Atomwaffen.

Die Argumentation ist: der Abzug der Atomwaffen sei innerhalb der NATO nur gemeinschaftlich sinnvoll und müsste mit den NATO-Partnern auch gemeinsam beschlossen werden. Dies ist absoluter Unsinn und wirft die Frage nach der Souveränität Deutschlands auf. Unsinn auch deshalb, da die Praxis eine andere ist. Beispiele dafür: Dänemark, Norwegen und Spanien z.B. verbieten in Friedenszeiten Atomwaffen auf ihren Territorien. Island und Litauen haben die Stationierung generell untersagt. Trotzdem sind diese Staaten weiter Mitglied der NATO und beteiligen sich an den Aktivitäten der NPG.

Das Problem Umgang mit den Atomwaffen nimmt eher den Weg einer Zuspitzung hin zur Androhung solcher Waffen in den internationalen Auseinandersetzungen. Bereits 2010 hat die damalige US-Außenministerin Clinton formuliert „solange es Atomwaffen gibt, wird die NATO ein nukleares Bündnis bleiben.“

Der NATO-Generalsekretär Stoltenberg ( ein Sozialdemokrat ) heute: Die nukleare Abschreckung sei die ultimative Sicherheitsgarantie.

2018 auf dem NATO-Gipfel in Brüssel wurde die NATO zur nuklearen Allianz erklärt.

Seitens der BRD gibt es eine ganze Reihe direkte und indirekte Bestrebungen zur Erlangung der Verfügungsgewalt über Atomwaffen. Dies geschieht u.a. in Gestalt der Forderung nach Europäisierung der französischen Atomwaffen. Hierbei schätzt man aber die „Grande Nation“ falsch ein.

Mit US-Präsident Trump gibt es zweifelsfrei ein atomares Eskalationsrisiko. Die nukleare Einsatzschwelle wurde gesenkt ( taktische Atomwaffen auf U-Booten, Raketenstellungen in Rumänien und Polen usw. ). Es geht um die Einführung von „Miniatur-Atomwaffen“ mit einer Wirkung von unter fünf Kilotonnen. Die deutsche Bundesregierung ist permanent bemüht, auf jede erdenkliche Art auch künftig die Teilhabe an Atomwaffen zu behalten und diese möglichst auszuweiten. Am Koalitionspartner vorbei hat die Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer schon vorab den Ersatz für die Tornado- Flugzeuge durch F 18 bei Boeing in den USA geordert.. Ein Beweis, dass nukleare Abrüstung für die Bundesregierung auch in Zukunft  kein Thema ist. Hierbei sollte sich keiner von salbungsvollen Erklärungen z.B. von Außenminister Maas täuschen lassen.

Die Unberechenbarkeit Trumps ist möglicherweise einer der Gründe für die Aktivitäten Mützenichs. Die Bundesregierung pflegt aber ihre Auffassung, besser Illusionen,  durch Teilhabe Einfluss auf nukleare Entscheidungen der NATO zu haben. Die Entscheidung liegt, um es nochmals zu betonen, einzig und allein beim Präsidenten der USA !

Die Forderung nach Abzug und Vernichtung der Atomwaffen hat höchste Aktualität. Im Jahre 2019 hat selbst die Deutsche Kommission „Justitia et Pax“ der katholischen Kirche ein Dossier mit dem Titel „Die Ächtung der Atomwaffen als Beginn nuklearer Abrüstung“ veröffentlicht. Ein Zitat daraus:

„Das gesamte Konzept der atomaren Abschreckung ist ethisch nicht länger verantwortbar, die Atomwaffen müssen als uneingeschränkt verwerflich völkerrechtlich geächtet, abgerüstet und vollständig aus der Welt geschafft werden !Den Segen von Papst Franziskus dafür gibt es bereits.“

Also Schluss mit der hirnrissigen Politik der Bundesregierung, die ihren deutlichen Ausdruck darin findet, dass die friedliche Nutzung der Atomenergie in Gestalt von AKW beendet wird, dafür aber die Bomben erneuert und behalten werden

Karl Rehbaum                                                                                      19.05.2020