Die Umwelt-Killer

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Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit führt sich das Militär als einer der schlimmsten Umweltsünder auf.

von Reiner Braun

Dass im Krieg Menschen getötet werden, ist schlimm — und allgemein bekannt. Die Schäden, die militärische Aktionen an Pflanzen und Tieren, an den Böden und unserer Atemluft anrichten, sind jedoch noch kaum untersucht. Brände, Explosionen, Pulverdampf, entlaubte Wälder, verseuchte Gewässer, CO2-Ausstoß in unfassbaren Mengen — das ist die furchtbare Umweltbilanz der Kriege und vorbereitenden Militärübungen. Es ist bedenklich, dass man darüber wenig hört. Nicht umsonst wurde das Militär als einer der größten Umweltsünder aus dem Kyoto-Protokoll gestrichen — auf Betreiben der NATO-Staaten.

„Das Klima gefährdet den Weltfrieden“ heißt es unisono beim Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und Fridays for Future (FFF) oder wie es auf der Webseite von FFF formuliert ist:

„Die Klimakrise stellt für die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Eine ungebremste Erderwärmung ist eine enorme Gefahr für Frieden und Wohlstand weltweit.“

Aber welche Rolle spielen denn nun Militär und Krieg?

Es sollten schon alle Alarmglocken angehen: Militär wurde als Klimakiller bewusst aus dem Kyoto-Protokoll und den andern UN-Klimadokumenten einschließlich der Charta von Paris ausgeklammert — auf Druck der USA und der NATO-Staaten.

Ist Militär und Krieg nicht nur für Flüchtlingsströme, für Zerstörung und Tod verantwortlich, ist Militär ein Umweltterrorist?

Zuerst einige Fakten:

  • Der Moorbrand auf einem Übungsstützpunkt der Bundeswehr 2018 tötete nicht nur Tieren und zerstörte (teilweise seltene) Fauna, sondern auch große Mengen CO2 und Feinstaub wurden freigesetzt — eine fast tägliche Zerstörung der Umwelt durch Militär, in diesem Fall medial etwas aufgepeppt durch den Brand und die stinkenden Rauchschwaden. Angeblich werden auch nach dem Brand weitere Waffentests auf dem Gelände durchgeführt.
  • Kriege und bewaffnete Konflikte zerstören Umwelt, ein Allgemeinplatz. Fast ist man geneigt zu fragen: Was sollen sie denn sonst zerstören, wenn nicht Mensch, Natur und Umwelt? Trotzdem, ein kurzer Blick in die Geschichte veranschaulicht die Dimension: in vielen Kriegen der Geschichte wurde die Umwelt Opfer einer Politik der verbrannten Erde. Bewaffnete Konflikte verbrauchen und belasten natürliche Ressourcen (Luft, Wasser, Boden, Land, Wälder und Ozeane), belasten öffentliche Infrastrukturen und Dienstleistungen (zum Beispiel Energie, Gesundheit, Abwasser, Müllabfuhr) und haben negative Auswirkungen auf den Erhalt von Wildtieren und deren Lebensräume. Felder wurden verbrannt, Gewässer vergiftet und Land unbrauchbar gemacht, um der Bevölkerung und gegnerischen Truppen die Existenzgrundlage zu entziehen. Katastrophal war die Zerstörung von Deichen. Der Gaskrieg des Ersten Weltkriegs tötete 100.000 Menschen und vergiftete große Landstriche. Die Flächenbombardements, Schiffswracks und Verminung sowie die Steigerung der Rüstungsproduktion kontaminierten Meeres- und Landökosysteme und hinterließen für Jahrzehnte tiefe Narben in der Natur. Besonders folgenreich war der großflächige Einsatz von nahezu 100.000 Tonnen Herbiziden wie Agent Orange im Vietnamkrieg, um Wälder zu entlauben und gegnerische Aktivitäten einzuschränken. Dies traf 4,8 Millionen VietnamesInnen, führte zu 400.000 Toten sowie zu Behinderungen und Gendefekten bei 500.000 Kindern. Die Pflanzenwelt konnte sich über Jahrzehnte nicht regenerieren, die Zahl der Tierarten ging deutlich zurück.
  • Die Vernichtung erreichte ein neues Ausmaß mit dem Einsatz von Atombomben der USA gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Durch die kombinierte Wirkung von Hitze, Druck und Strahlung wurden nicht nur hunderttausende von Menschen ausgelöscht, sondern auch die lokale Flora und Fauna; große Landstriche, das Wasser und die Atmosphäre für Jahre radioaktiv verseucht. Krebstote bis heute. Mehr als eine Million Opfer melden die Statistiken.
  • Das Zeitalter des Kalten Krieges: Im nuklearen Wettrüsten des Kalten Krieges wurden mehr als 2.000 Kernwaffen getestet, wodurch Plutonium und andere radioaktive Stoffe freigesetzt wurden, die bis heute weltweit zirkulieren und sich in der ökologischen Nahrungskette anreichern. Testgebiete wurden für die dort lebenden Völker unbewohnbar oder gingen verloren wie das Bikini Atoll. Bei Nuklearunfällen fielen rund 50 Atomsprengköpfe und 11 Atomreaktoren in den Ozean.
  • Und heute existieren nach wie vor 15.000 Atomwaffen mit der vielfachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe: Ein Atomkrieg könnte die Atmosphäre so stark verdunkeln, dass das Leben auf der Erde nicht nur gefährdet ist (Nuklearer Winter), sondern das Leben auf der Erde würde unweigerlich zerstört.
  • Noch ein aktuelles Beispiel: Während des Golfkriegs von 1991 zeigten die Öl-Brände in Kuwait und die Freisetzung von Öl im Persischen Golf die Folgen einer Politik der verbrannten Erde. Amerikanische Militärangehörige beklagten sich über das Golfkriegssyndrom, wahrscheinlich als Folge des Einsatzes von mehr als 1.000 Tonnen Uranmunition durch das US-Militär, radioaktive besonders durchschlagsfähige effektive Munition.

Die Zerstörung der Umwelt durch das Militär geht aber weit über die vernichtenden Kriege hinaus:

  • Krieg und Militär gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen und setzen erhebliche Umweltschadstoffe frei.
  • Es existieren über 1.000 Militärbasen auf der Welt. Militärische Landnutzung beeinträchtigt die Lebensqualität, Gesundheit und Ernährung betroffener Gemeinschaften. Lösungsmittel, Treibstoffe und andere giftige Chemikalien aus militärischen Aktivitäten verbleiben über Jahrzehnte in der Umwelt. Schwere Militärfahrzeuge beschädigen Böden und Infrastrukturen. Lärmbelästigung durch Militär stört den Lebensraum von Tieren und Pflanzen. Bewaffnete Konflikte in Gebieten hoher Artenvielfalt beeinträchtigen Ökosysteme und deren Dienstleistungen für die menschliche Entwicklung.
  • Als einer der größten Umweltverschmutzer der Welt gilt das US-Militär, mit rund 39.000 kontaminierten Standorten. Das Pentagon produziert etwa fünfmal mehr Toxine als die größten amerikanischen Chemieunternehmen.
  • Weltweit verbraucht das Militär große Mengen fossiler Brennstoffe und setzt beträchtliche Mengen an Treibhausgasen frei, die zum anthropogenen Klimawandel beitragen. Das US-Militär ist der größte Einzelverbraucher von Energie in der Welt. Laut dem CIA World Factbook von 2005 würde das Pentagon beim Ölverbrauch auf Platz 34 aller Staaten der Erde liegen, knapp hinter dem Irak und vor Schweden. Einem Bericht des US-Kongresses von 2012 zufolge hat das Pentagon 2011 rund 117 Millionen Barrel Öl verbraucht, annähernd so viel wie der Treibstoffverbrauch aller Autos in Großbritannien. Mehr als die Hälfte der Hubschrauber der Welt sind für militärische Zwecke bestimmt und etwa ein Viertel des Verbrauchs von Düsentreibstoffen stammt von Militärfahrzeugen, die meist ineffizient, kohlenstoffintensiv und umweltschädlich sind. Auf den US Militärbasen der Welt werden täglich 320.000 Barrel Öl verbraucht. Nach Informationen des Pentagons beschäftigt sich dessen Umweltprogramm mit 39.000 verseuchten Gegenden in den USA. 126 US-Stützpunkte in den USA (House of Armed Service Committee) verseuchen die Umgebung, es existieren dort Probleme mit kontaminiertem Wasser und radioaktiven Vergiftungen. Wie viele mögen es weltweit angesichts von 868 US Basen überall auf der Welt sein? Ein Beispiel: Okinawa Base und ihr Ausbau gefährden das Überleben von 262 gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, darunter einmalige Korallen. Die geschätzten Kosten für die Sanierung militärisch kontaminierter Standorte liegen bei mindestens 500 Milliarden US-Dollar.
  • Krieg für Öl: Aufgrund der Abhängigkeit vom Öl der Industriestaaten aber auch des Militärs tendieren Militärs und Rüstungsunternehmen dazu, bewaffnete Interventionen oder Stationierungen überall auf der Erde zu unterstützen, um die eigene Öl- und Energieversorgung zu sichern. US-kritische, Öl produzierende Länder werden bewusst destabilisiert. Der Irak Krieg 2003 ist das zugespitzte aber nicht das einzige Beispiel. Noch ein Beispiel: 25 Prozent des weltweiten Kerosinverbrauchs erfolgt durch die US Air Force. Ein F-4 Phantom verbraucht bei Überschallgeschwindigkeit 26.000 Gallonen pro Stunde.
  • Die Entsorgung ausgedienten Militärequipments finden durch Kriege oder durch „einfache“ Entsorgung zum Beispiel auf hoher See statt.
  • Eine besonders dramatische Zerstörung der Umwelt geschieht durch Depleted Uranium (DU). Der Einsatz dieser Waffe führt zu radioaktiver Verseuchung und Vergiftung von Menschen, drastisch gestiegenen Krebsraten in der Region sind die Folge siehe Jugoslawien, Irak, und weitere.
  • 1,8 Billionen Dollar sind die Rüstungsausgaben pro Jahr weltweit: Dies ist eine gewaltige Abzweigung öffentlicher Ressourcen, die stattdessen in erneuerbare Energien und Umweltschutz investiert werden könnten. In der Realität ist jede Ausgabe für ein militärisches Infrastruktur- oder Beschaffungsprogramm die sinnlose Vernichtung von begrenzten Ressourcen, über die unser Planet verfügt. Um die Klimakrise zu bewältigen, würden bis 2030 jährlich schätzungsweise 1 Prozent des globalen BIP benötigt. Für die Realisierung der Sustainable Development Goals (SDG) also der Ziele für nachhaltige Entwicklung, 300 Milliarden Dollar pro Jahr. Degrowth bei Militär sollte eine verbindende Position der unterschiedlichen politischen und wissenschaftlichen Positionen der weltweiten Degrowth Bewegung werden. Degrowth ohne Überwindung des Militarismus wird es nicht geben.

Noch einmal sollen am Beispiel der größten US-Base außerhalb der USA der US-Base in Ramstein die Umweltzerstörungen und die Folgen für das Klima aufgezeigt werden:

  • Völkerrechtswidriger Drohnenkrieg mit modernsten Technologien verbraucht Unmengen an natürlichen Ressourcen. Das weltweite Überwachungs- und Steuerungssystem verschlingt materielle Ressourcen.
  • Die Air Base Ramstein liegt zwischen Naturschutzgebieten (NSG) und Landschaftsschutzgebieten (LSG) und steht im Widerspruch zu den Schutzzielen gemäß Landschaftsplanung. Der angrenzende Pfälzer Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet der Bundesrepublik, mit seinen Sandsteinfelsen im Süden begann sich zu einem beliebten Kletter-, Wander- und Urlaubsgebiet zu entwickeln. Dies wird durch die vielfältigen Militäranlagen zerstört.
  • Es findet eine großflächige Versiegelung und Verlust von Boden als Lebensraum statt. Emissionen von Kerosin gefährden das Grundwasser und die Fließgewässer. Die Luft und das Kleinklima werden durch Wärmebelastung sowie durch Wärme abstrahlende Flächen belastet. Militärflugzeuge verbreiten (Ultra-)Feinstaub, die Verseuchung des Grundwassers unter anderem durch Benzol schreitet voran.
  • Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden Kerosinablass durch Zivilflugzeuge im Anflug auf den zivilen Flughafen Frankfurt Rhein-Main prägen die Militärregion Kaiserslautern. In der Westpfalz wird die immense Gesundheitsgefährdung zunehmend in der regionalen Presse thematisiert. Der Großtransporter Galaxy verbraucht beim Start 3.500 Liter Treibstoff. Damit könnte ein Diesel-PKW, der 10 Liter pro 100 km verbraucht, 35.000 km fahren. Düsenjets haben keine Rußfilter. Bei Starts und Landungen auf der US-Air Base Ramstein werden jährlich 1,35 Milliarden m³ Abgase “freigesetzt”. Darin sind Schwefeldioxid, Stickoxid, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid / CO2, Brom, Blei und Ruß in sehr großen Mengen enthalten. Kaiserslautern hat mit 5 t pro Einwohner den höchsten Ausstoß des Klimakillers CO2 in der Bundesrepublik zu verzeichnen.
  • Militärflugzeuge nutzen das NATO Flugbenzin JP-8: dies ist Krebs erregend durch Additive. Signifikant höhere Krebserkrankungen in der Region Kaiserslautern sind von Fachärzten dokumentiert. Dieser Spezialtreibstoff, der nach einem aus dem Verkehr gezogenen Datenblatt des Herstellers Chevron giftige und krebserregende Bestandteile enthält, versickert aus undichten Tankanlagen in den Boden und gelangt so direkt ins Grundwasser unter dem Flugplatz. JP-8 wird auch vor der Landung abgelassen, weil Großtransporter ein bestimmtes Landegewicht nicht überschreiten dürfen. Es schlägt sich als öliger Belag auf Gartenteichen und als schwarze Schmiere auf allen Oberflächen nieder. Hinter vorgehaltener Hand warnen Förster vor dem Verzehr belasteter Früchte und Pilze aus den Wäldern im Anflugbereich des Flugplatzes.
  • Der Fluglärm ist eine permanente Bedrohung der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen. Auf der US-Air Base Ramstein finden zurzeit jährlich circa 30.000 Starts und Landungen statt. Neben den sehr lauten US-Militärtransportern C-130 Hercules, C-17 Globemaster und C-5 Galaxy verkehren dort auch zivile Chartermaschinen, darunter die laute Antonow AN-124.

Was fehlt sind ein oder mehrere Fachstudien über die aus der Air Base resultierende negative Gesamtbelastung der Umwelt. Die Politik will sie nicht, die Wissenschaft kneift.

Zusammenfassung

Eine ernsthafte Umwelt- und Klimadebatte um drastische CO2-Reduzierungen sind ohne den militärischen CO2-Ausstoß unvollkommen und unehrlich. Klimawandel, der Militär nicht mit einschließt, ist heiße Luft. Umweltschutz heißt also Kriegs- und Militärabbau. Es ist Zeit, dieses Tabuthema in die Öffentlichkeit zu zerren und zwar bei jeder Umwelt und Friedensaktion!

Was wir brauchen ist:

  • Einen umfassenden Abrüstungsprozess, der die Umwelt schont und die materiellen und finanziellen Ressourcen freisetzt zum Schutz und zum Überleben des Planeten und seiner Menschen.
  • Eine umfassende sozial-ökologische Transformation, basierend auf „common goods“, einem Wirtschaften, das den Menschen und nicht den Profit in den Mittelpunkt stellt, sowie nationale und weltweite Konversionspläne zur Umstellung des Militärischen auf das Zivile, mit den Zielen der Schaffung von guter Arbeit. Das Militärische muss gegen Null gefahren werden (degrowth).
  • Die umfassende, lebendige und aktionsorientierte Zusammenarbeit von Klima/Umwelt und Friedensbewegung: für das Leben und Überleben auf dem Planten in sozialer Gerechtigkeit.

Reiner Braun, Jahrgang 1952, studierte Germanistik und Geschichte sowie Journalistik. Er ist seit 1981 in der Friedensbewegung aktiv, war ab 1982 Büroleiter und später auch Initiator der „Krefelder Initiative gegen den Atomtod“. Von 2006 bis 2014 arbeitete er als Geschäftsführer der VDW (Vereinigung Deutscher Wissenschaftler). Er war von 2006 bis 2016 Geschäftsführer der deutschen und internationalen IALANA (International Lawyer against Nuclear Arms). Aktiv ist er unter anderem in den Kampagnen Stopp Airbase Ramstein sowie Abrüsten statt aufrüsten. Er ist Co-Präsident des International Peace Bureau (IPB) sowie Autor und Herausgeber verschiedener Bücher zu Frieden und Fragen der Nachhaltigkeit, so unter anderem „Einstein und Frieden“, „Joseph Rotblat – one life for peace“ und „Future of Food“.

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