Diplomatie BRD-Vietnam – Verdrängte Vorgeschichte

Die BRD und die Sozialistische Republik Vietnam unterhalten seit 1975 diplomatische Beziehungen. Was der Kontaktaufnahme vorausgegangen ist, wird heute kaum noch erinnert

Von Hellmut Kapfenberger

Die Bundesrepublik Deutschland und die Sozialistische Republik Vietnam blicken am 23. September auf 45 Jahre diplomatische Beziehungen zurück. Das Jubiläum steht im Zeichen einer 2011 vereinbarten, nicht immer ungetrübten strategischen Partnerschaft. Wer in der DDR gelebt oder sich auch sonst nur ein wenig mit der Geschichte der deutsch-vietnamesischen Beziehungen auf diplomatischem Parkett beschäftigt hat, weiß natürlich, dass diese nicht an jenem Tag im Jahr 1975 ihren Anfang genommen haben. Aus gegebenem Anlass mit Nachdruck daran zu erinnern und die Vergangenheit nicht dem Vergessen anheim fallen oder nach Belieben verdrängen zu lassen, ist durchaus geboten. Es gibt mindestens zwei gewichtige Gründe dafür, dass von staatlicher deutscher Seite solchem Erinnern nichts abgewonnen werden kann. Zum einen müsste zwangsläufig konstatiert werden, dass nicht die Bundesrepublik sich als erste um eine Kontaktaufnahme mit Vietnam bemüht hatte. Zum anderen – und das wäre für einstige westdeutsche und wohl auch noch für jetzige Verantwortungsträger hierzulande sehr schmerzhaft – müsste eingestanden werden, dass die Bundesrepublik in Sachen Vietnam auf völkerrechtswidrigen Pfaden wandelte und mit erheblichem Aufwand den Krieg der USA gegen das südostasiatische Land unterstützte.

Erste Beziehungen

Lassen wir die Fakten sprechen. Am 3. Februar 1950 erkannte die Provisorische Regierung der erst einige Monate alten DDR die am 2. September 1945 gegründete Demokratische Republik Vietnam (DRV) an. Die stand zu dieser Zeit in einem harten Abwehrkampf gegen den nur Tage nach ihrer »Geburt« gestarteten Versuch Frankreichs, den verlorenen Kolonialbesitz Indochina zurückzuerobern. Die Regierung Ho Chi Minhs hatte am 14. Januar 1950 vom Widerstandszentrum im gebirgigen Landesnorden aus die Welt auf die Lage in Vietnam aufmerksam gemacht und als rechtmäßige Regierung des Landes ihre Bereitschaft bekundet, »diplomatische Beziehungen mit den Regierungen aller Länder aufzunehmen, die die Gleichberechtigung, territoriale Souveränität und nationale Unabhängigkeit Vietnams achten«. Am 7. März 1954 unterzeichneten die Botschafter der DDR und der DRV in Beijing im Auftrag ihrer Regierungen eine Vereinbarung über die Errichtung von Botschaften. Der 8. Dezember jenes Jahres gilt als Tag des Beginns der bilateralen diplomatischen Beziehungen. Johannes König, DDR-Botschafter in China, übergab am 2. Januar 1955 in Hanoi als Zweitakkreditierung sein Beglaubigungsschreiben. Am 30. August 1955 nahm die erste deutsche Botschaft im unabhängigen Vietnam mit Sitz in Hanoi, Pho Tran Phu 29, ihre Arbeit auf.

Der Ruf der Regierung von Ho Chi Minh vom Januar 1950 war in der gesamten westlichen Welt ignoriert worden. Die Bundesrepublik sah sich getreu ihrem sorgsam gepflegten antikommunistischen Erbe an der Seite Frankreichs, Politiker wie der Kanzler Konrad Adenauer bejubelten die Tausenden im französischen Expeditionskorps kämpfenden deutschen Fremdenlegionäre. Das militärische Abenteuer Frankreichs endete am 7. Mai 1954 mit der Kapitulation der Festung Dien Bien Phu. Die einen Tag später in Genf zusammengetretene, von der UdSSR durchgesetzte internationale Indochinakonferenz¹ endete mit wegweisenden, völkerrechtlich verbindlichen Beschlüssen für die Zukunft Vietnams und ganz Indochinas. Am Anfang stand nach der Waffenruhe die Erklärung der Nord- und der Südhälfte Vietnams zu »Umgruppierungszonen« für die Separierung der Truppen beider kriegführenden Seiten, getrennt durch eine »zeitweilige militärische Demarkationslinie«. Die »zuständigen repräsentativen Behörden beider Zonen«, die Regierung der DRV und eine von den Franzosen 1949 im Süden in Hue willkürlich eingesetzte Separatregierung unter dem ehemaligen vietnamesischen Kaiser Bao Dai², sollten am 20. Juli 1955 Verhandlungen zur Vorbereitung der für Juli 1956 vorgesehenen allgemeinen Wahlen in beiden Zonen aufnehmen.

Dazu kam es nicht. Die USA, die Frankreichs neokolonialistischen Feldzug mit großem materiellen und finanziellen Aufwand bis zum Ende möglich gemacht hatten und nur als »Beobachter« in Genf vertreten sein wollten, fühlten sich nach eigenem Bekunden nicht an die Konferenzbeschlüsse gebunden und taten alles, um sie zu sabotieren. Mit ihrem Segen wies ihr Gewährsmann Ngo Dinh Diem³ die Genfer Beschlüsse rigoros zurück und rief im Oktober 1955 entgegen allen Normen des Völkerrechts für den Landessüden eine »Republik Vietnam« mit Saigon als Hauptstadt aus. Die Bundesrepublik stand offenbar schon »Gewehr bei Fuß«: Noch im Oktober erkannte die Bundesregierung das illegale Staatsgebilde in aller Form an. Am 12. Dezember folgte die Herstellung zunächst konsularischer Beziehungen mit der Eröffnung eines Generalkonsulats in Saigon, das am 12. Juni 1957 in eine Gesandtschaft umgewandelt wurde. Am 25. April 1960 erhob man diese diplomatische Vertretung in den Rang einer Botschaft. Sie stellte erst wenige Tage vor dem schmählichen Ende des Separatregimes, am 24. April 1975, ihre Arbeit ein. Sechs Tage später marschierten Einheiten der Befreiungsstreitkräfte in die Stadt ein, die Machthaber des völkerrechtswidrigen, antikommunistischen Regimes von US-amerikanischen Gnaden kapitulierten bedingungslos. Bonn hatte es von Anfang bis Ende nach Kräften politisch, propagandistisch, ökonomisch, materiell, teils auch personell, vor allem aber als zweitgrößter Geldgeber nach den USA finanziell unterstützt und war ab 1965 in mancherlei Hinsicht auch den USA-Aggressoren zu Diensten.

Nazis als BRD-Vertreter

Aber wer durfte von Beginn an die Bundesrepublik mit ihrem arroganten Anspruch, ganz Deutschland zu repräsentieren, auf vietnamesischem Boden vertreten? York Alexander von Wendland, Spross eines königlich bayrischen Rittmeisters, amtierte als erster Botschafter der BRD bis Juni 1964. Er war am 1. Mai 1933 in die NSDAP und im April 1936, ausgerüstet mit juristischem Staatsexamen, in den auswärtigen Dienst des Nazireichs eingetreten. 1938 bestand er die »diplomatisch-konsularische Prüfung«. Auslandsstationen waren in der Folge das Konsulat in Brünn, das Generalkonsulat in Batavia (damals Hauptstadt des Kolonialgebiets Niederländisch-Indien, heute als Jakarta Hauptstadt der Republik Indonesien) und ab 1940 die Gesandtschaft in Bangkok. Seit 1951 stand er wieder im diplomatischen Dienst.

Auf von Wendland folgte bis November 1965, also in der Anfangszeit der direkten US-Aggression⁴, Günther Schlegelberger. Nach Studien an der Berliner Humboldt-Universität und an der hauptstädtischen Universität des faschistischen Horthy-Ungarns war er von 1940 bis 1942 »wissenschaftlicher Mitarbeiter« im Auswärtigem Amt unter Joachim Ribbentrop. Sein Vater Franz Schlegelberger stand in jener Zeit an verantwortlicher Stelle des Justizapparates der Nazis. Ab 1931 und, später vom Hitlerregime übernommen, noch bis 1941 war er Staatssekretär im Reichsjustizministerium. 1941/42 fungierte Vater Franz als kommissarischer Reichsminister der Justiz.⁵ Günther Schlegelberger gehörte ab 1943 in höherem Offiziersrang der Wehrmacht an. Wie von Wendland wurde er 1951 wieder in den auswärtigen Dienst übernommen.

In besonderer Mission weilte Hans Schmidt-Horix Ende März 1966 in Saigon. Er war 1934 der Reiter-SS beigetreten und brachte es zum Untersturmführer. Ab 1935 als Attaché dem Auswärtigen Amt zugehörig, war er von 1937 bis 1942 an den Botschaften in Lissabon und als Legationsrat in Washington tätig. Nach einem Intermezzo als Offizier des faschistischen Afrikakorps 1942/43 wurde er 1944 Legationssekretär an der Nazibotschaft in Italien. Auch Schmidt-Horix durfte nach dem Krieg ab 1952 wieder den diplomatischen Dienst antreten. Seine besondere Mission bestand in den Verhandlungen mit dem Saigoner Außenminister über den Einsatz des westdeutschen Lazarettschiffs »Helgoland«, das von September 1966 bis Ende 1972 in den Häfen von Da Nang und Saigon unter Rotkreuz-Flagge agierte, aber dem BRD-Militärattaché in Saigon unterstand, dem ehemaligen Oberstleutnant der Wehrmacht, Joachim Tzschaschel.

Schlegelbergs Nachfolger im Amt des Botschafters wurde – nach zeitweiliger Leitung der Mission durch einen Geschäftsträger – von 1966 bis Oktober 1968 in der Person von Wilhelm Kopf natürlich wieder ein Mann mit ausgewiesener Nazivergangenheit. Ab 1933 für einige Jahre Angehöriger der SA, wurde er Anfang 1938 NSDAP-Mitglied. Im Oktober 1940 trat er den Dienst in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes an. Ab April 1941 war er verantwortlicher Mitarbeiter der Nachrichten- und Presseabteilung des Auswärtigen Amtes. Deren Leiter und damit Pressechef Ribbentrops war während der Kriegsjahre Obersturmbannführer Paul Karl Schmidt.⁶ Ab Mai 1941 fungierte Kopf als Vertreter des Auswärtigen Amtes bei der Abteilung Wehrmachtpropaganda des Oberkommandos der Wehrmacht. Ab Februar 1942 Ausbilder in der »Aserbaidschanischen Legion«⁷, einer aus nichtrussischen Kriegsgefangenen und Überläufern rekrutierten Söldnerformation der Nazis, war er in der Folge wieder unter Schmidt tätig, bevor er im Juni 1944 in der Botschaft in Ankara für die »Bearbeitung von Presseangelegenheiten« zuständig wurde. Ab Juni 1952 stand er wieder im auswärtigen Dienst der Bundesrepublik.

Auf Kopf folgte im November 1968 bis Ende 1974 Horst von Rom. Der 1934 promovierte Jurist war von 1937 bis 1945 verantwortlicher Mitarbeiter einer anfangs unverfänglich »Forschungsamt« und ab 1935 offiziell »Forschungsamt der Luftwaffe« genannten Einrichtung. Ab 1943 war er bis Kriegsende zum Auswärtigen Amt abkommandiert. Bei dem »Forschungsamt« handelte es sich um einen im April 1933 von Hermann Göring, den Hitler im Januar zum Reichskommissar für das preußische Innenministerium ernannt hatte, für »technische Aufklärung« geschaffenen Spionagedienst, der ab 1935 von SS-Sturmbannführer Christoph Ernst August Prinz von Hessen geleitet wurde. Er überwachte Telefonate, Fernschreiben und Telegramme, um Antifaschisten zu entdecken und auszuschalten.⁸ Auch von Rom konnte sich ab 1953 wieder der Zugehörigkeit zum auswärtigen Dienst der Bundesrepublik erfreuen.

Erst mit dem Amtsantritt von Heinz Dröge im November 1974 endete die Präsenz erheblich belasteter Nazis auf dem Botschafterstuhl in der Saigoner Straße Pho Vo Thang 217. Der ehemalige Luftwaffen-Leutnant setzte sich am 24. April 1975 mit dem Botschaftspersonal nach Bangkok ab.

Gegenmodell DDR

Wie sah es dagegen in der Hanoier Pho Tran Phu 29 aus? Als erster trat dort am 30. August 1955 der Arbeitersohn Rudolf Pfützner, der seit 1928 Mitglied der KPD und später der SED war, den Dienst als akkreditierter Botschafter der DDR an. Er war 1933 wegen antifaschistischer Widerstandsarbeit zeitweise in »Schutzhaft« genommen, 1934 erneut verhaftet und schließlich im April 1935 in Dresden zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus in der Haftstation Waldheim verurteilt worden. 1941 als Leiter einer Leipziger Widerstandsgruppe wieder verhaftet, folgte im Jahr darauf das auf 15 Jahre Zuchthaus lautende Urteil von Roland Freislers »Volksgerichtshof«. Er durchlitt abermals Waldheim und gehörte 1945 zu den Überlebenden des KZ Mauthausen. Als DDR-Botschafter amtierte er bis 1959.

Der als Schriftsteller bekannt gewordene Eduard Claudius hatte das Amt des Botschafters in der DRV nach Pfützner bis 1961 inne. Geboren als Sohn eines Bauarbeiters, wurde er Maurer und in den 1920er Jahren aktiver Gewerkschafter und Arbeiterkorrespondent im Ruhrgebiet. Seine Lebensstationen umfassen drei Jahre Wanderschaft durch Westeuropa, die Mitgliedschaft in der KPD ab 1932, zeitweise Gefängnishaft 1933, Emigration in die Schweiz 1934, Verhaftung durch die Schweizer Behörden wegen antifaschistischer Arbeit 1936 und die Flucht nach Spanien wegen drohender Auslieferung an Nazideutschland. Claudius kämpfte als Kriegskommissar in den Reihen der Internationalen Brigaden und wurde 1938 mit vielen Interbrigadisten in Frankreich interniert. 1939 wieder von Auslieferung bedroht, gelang ihm die Flucht zurück in die Schweiz, wo er jedoch wegen illegalen Aufenthalts 1939 bis 1945 in Arbeitslagern interniert war. Anfang 1945 schloss er sich der italienischen Partisanenbrigade Garibaldi an. Im Juli 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und fungierte bis 1947 als Pressechef eines bayrischen Ministeriums für Entnazifizierung. 1948 siedelte er in die Sowje­tische Besatzungszone (SBZ) über.

Das Amt des Botschafters übernahm von ihm bis 1963 Karl Nohr. Er war 1923 dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) und der KPD beigetreten. Von 1930 bis 1933 leitete er die »Liga für Mutterschutz und soziale Hygiene« in Magdeburg. 1933 nach Frankreich emigriert, wurde er bis zu dessen Tod 1935 Mitarbeiter des emigrierten Sexualforschers Professor Magnus Hirschfeld und danach politischer Mitarbeiter der Internationalen Roten Hilfe in Frankreich. Der Internierung von 1939 bis 1942 folgte bis Januar 1945 der Dienst in der britischen Armee. Im Oktober 1945 kehrte er in die Heimat zurück.

Bis 1968 bekleidete schließlich Wolfgang Bergold das Amt des Botschafters der DDR in der DRV. Er gehörte 1930 zu den Gründern des Sozialistischen Schülerbundes und wurde dann Mitglied der Freien Sozialistischen Studentenschaft und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD). Bis zur Relegation 1933 studierte er an der TH Dresden Volkswirtschaft, Russisch und Chinesisch. Ein Jahr war er 1933/34 im KZ Hohnstein inhaftiert, einem der ersten Konzentrationslager der Nazis, in dem rund 5.600 Antifaschisten teils schwerste Zwangsarbeit in einem nahen Steinbruch zu verrichten hatten. Wegen illegaler Arbeit Ende 1934 erneut verhaftet und wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« verurteilt, war er 1935/36 in Dresden und im KZ Sachsenburg eingesperrt. Bergold gehörte zu den Organisatoren einer Dresdner Widerstandsgruppe, wurde 1941 in Dresden abermals verhaftet und im März 1942 vom Volksgerichtshof zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach mehreren Monaten Zwangsdienst im Jahr 1943 im berüchtigten Strafbataillon 999 wurde er bis 1945 im Zuchthaus Waldheim gefangengehalten. 1945 wurde er Mitglied der KPD.

Nach Bergold hatte bis 1972 ein Mann jüngeren Jahrgangs das Amt des Botschafters inne – Klaus Willerding. Als wehrpflichtiger Soldat 21jährig 1944 in sowjetische Gefangenschaft geraten, besuchte er von 1946 bis 1948 eine der ab 1942 für deutsche Kriegsgefangene eingerichteten Frontschulen. 1949 folgte die Unterrichtung an der Antifa-Zentralschule im Gefangenenlager Krasnogorsk unweit Moskaus, in dem 1943 von deutschen Antifaschisten und gefangengenommenen oder desertierten Wehrmachtsangehörigen das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) gegründet worden war.

Es versteht sich von selbst, dass auch der spätere stellvertretende Außenminister Johannes König, der 1954 von Beijing aus den diplomatischen Kontakt der DDR zur DRV geknüpft hatte, auf eine von antifaschistischem Kampf geprägte Vergangenheit zurückblicken konnte. Er war in den Reihen der KPD und – an der Seite seiner jüdischen Frau – ab 1939 im chinesischen Exil aktiv.

Kein Schuldeingeständnis

Sträflich Gutgläubige könnten es der Bundesrepublik 1975 als Zeichen urplötzlich, binnen Monaten gewonnenen Realitätssinns anrechnen, dass ihre Diplomatie doch noch den Weg nach Hanoi gefunden und die DRV als rechtmäßiges Vietnam anerkannt hat – nach 20 Jahren der Unterstützung der Spaltung Vietnams und nur fünf Monate nach dem Fiasko des vasallentreuen Engagements an der Seite des Aggressors USA. Wie dem auch sei. Bis heute aber fehlt etwas Fundamentales, was jedoch ohnehin noch nie Bundesdeutschlands Sache war: ein Eingeständnis schwerwiegender Schuld. So kann die Bundesrepublik von Glück reden, dass Schuldzuweisungen oder ein anklagender Rückblick auf die leidvolle Vergangenheit von Vietnam nicht zu befürchten ist. Es wird in diesem hoffentlich honorierten Geist alles dafür tun, die bilateralen Beziehungen für beide Seiten fruchtbringend weiterzuentwickeln. Möge man sich dabei auf deutscher Seite dankbar erweisen und sich schulmeisterlichen Gehabes enthalten.

Anmerkungen

1 Auf der Konferenz waren die UdSSR, Frankreich, Großbritannien, China, die USA, die DRV, die Bao-Dai-Verwaltung sowie die Königreiche Laos und Kambodscha vertreten.

2 Kaiser Bao Dai hatte sich nach seiner Entmachtung 1945 ins Ausland abgesetzt und lebte bis 1949 im französischen Exil.

3 Der katholische Geistliche Ngo Dinh Diem, einst Berater am Hofe Bao Dais, lebte später in Japan, kehrte im Zweiten Weltkrieg nach Vietnam zurück, kollaborierte mit den japanischen Besatzern und lebte dann bis 1953 in den USA.

4 Nach dem Einsatz Tausender »Militärberater« bei der Saigoner Armee begann im Februar 1965 mit der Entsendung der ersten Kampftruppen der direkte Kriegseinsatz der USA.

5 Franz Schlegelberger wurde 1947 im Nürnberger Juristenprozess, einem der zwölf Nachfolgeprozesse nach dem Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, von einem USA-Militärgericht zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, aber schon im Januar 1951 wegen »Haftunfähigkeit« aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen.

6 Schmidt, auch Paul Carell, war seit 1931 Mitglied der NSDAP und der SA. Als Psychologie-Student in Kiel leitete er einen »Kampfausschuss wider den undeutschen Geist«. Am 10. Mai 1933 war der Burschenschafter studentischer Redner bei der Bücherverbrennung in Kiel. 1935/36 war er »Gaustudentenführer« in Schleswig-Holstein. In den 1950er Jahren zunächst Journalist bei Die Zeit und Der Spiegel, machte er schließlich Karriere im Springer-Verlag. Bis Axel Springers Tod 1985 war Schmidt dessen persönlicher Berater und Sicherheitschef.

7 Die »Aserbaidschanische Legion« war Teil der sogenannten Ostlegionen der faschistischen Wehrmacht, für die schon ab 1941 Angehörige von Minderheitenvölkern der Sowjetunion für »Sicherungsaufgaben im besetzten Gebiet« angeworben wurden. Ihnen gehörten mindestens 40.000 Kriegsgefangene und Deserteure an.

8 Das Amt wurde auf der Grundlage der »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« geschaffen. Paul von Hindenburg, bis zum Ableben 1934 noch Staatschef, erließ die Verordnung am 28. Februar 1933, am Tag nach dem von den Nazis inszenierten Reichstagsbrand. Neben dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 war sie eine der wichtigsten Grundlagen der Nazidiktatur.

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Von Hellmut Kapfenberger erschien zu der Thematik das Buch »Berlin – Bonn – Saigon – Hanoi. Zur Geschichte der deutsch-vietnamesischen Beziehungen« im Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2013. Er würdigte an dieser Stelle zuletzt in der Ausgabe vom 19. Mai die Persönlichkeit Ho Chi Minhs anlässlich dessen 130. Geburtstages.

Zuerst erschienen in der jungen ‘Welt von 22.09.2020