Heiße Luft und Desinformationen- eine Betrachtung zum NATO – Gipfel in London

Am 3. und 4. Dezember 2019 fand in London das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Nordatlantikrates, auch aus Anlass des 70. Jahrestages der Gründung der NATO, statt.

Ein Gipfeltreffen ohne nennenswerte konkrete Aussagen zu der Mehrzahl der politisch und militärisch anstehenden Probleme. Ausdruck dafür ist die dürftige „Londoner Erklärung“ vom 04.12.2019. Ganze zwei Seiten mit insgesamt 9 Artikeln, weitestgehend ohne konkreten Inhalt, eher bereits bekannte Absichtserklärungen. Die Öffentlichkeit wird allseitig getäuscht. So wird das feste atlantische Bündnis gelobt und ein Festhalten an den Absichten und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen. Die jüngere Vergangenheit belegt aber das Gegenteil. Die NATO mandatiert sich für Kriegseinsätze selbst, ohne Zustimmung des UN–Sicherheitsrates. Der US–Präsident erklärt die NATO als obsolet.

Bereits 2014 beschloss die NATO Aufgaben, wie die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2 % des BIP und die Ausgaben für Ausrüstung auf 20 % des Verteidigungshaushaltes. Dieser 5 Jahre alte Beschluss der NATO wird in der Londoner Erklärung an vorderer Stelle angeführt, obwohl es bei über der Hälfte der NATO–Staaten noch einige Jahre dauern dürfte, ehe diese Ziele erreicht werden.

Wie schon während der Blockkonfrontation zwischen der NATO und dem Warschauer Vertrag vor 1990, strapaziert die NATO auch in dieser Erklärung eine Bedrohungslüge. Sie behauptet, ohne Belege dafür zu nennen, von Russland permanent bedroht zu werden. Nebenbei wird auch der internationale Terrorismus als Bedrohung gesehen. Anders die NATO. In der Erklärung heißt es :

„Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und stellt kein Bedrohung für andere Staaten dar. “Was hat aber eine Verlegung massiver Militärverbände an die russische Grenze oder die Installierung eines Raketensystems in Richtung Russland mit einer angeblichen Rundumverteidigung der NATO gemein? Die Frage, wer bedroht wen, ist leicht zu beantworten.

Wie nicht anders zu erwarten, unterstellt auch diese Erklärung  Handlungen Russlands als Ursache für das Scheitern des INF–Vertrages. Die USA sehen sich im Nachteil, da die Mittelstreckenraketen Chinas durch den INF–Vertrag nicht erfasst waren, und haben hauptsächlich deshalb den Vertrag gekündigt.

Lauthals erklären die NATO–Mitglieder, dass sie sich für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Atomwaffen bekennen. Vergessen dabei aber ihre Hochrüstung, dass sie weltweit ca. ¾ der Rüstungsausgaben verantworten und außer den drei NATO–Atommächten weitere fünf NATO–Staaten in die Teilhabe am Einsatz von Atomwaffen einbezogen haben

(siehe Büchel). Ein klarer Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag.

Neu ist die Erklärung, den Weltraum zum Operationsgebiet der NATO zu machen und entsprechende Streitkräfte aufbauen zu wollen. Sogar die Bundesregierung hat bereits ihr militärisches Interesse an Aktivitäten im Weltraum bekundet. Nur wer sich an den Versuch der Reagan–Administration erinnert, die bekanntlich das SDI–Programm initiiert hatte und dann wegen finanziellen und technischen Schwierigkeiten abgebrochen hat, hat eine Vorstellung von der Dimension eines solchen Vorhabens und berechtigte Zweifel an dessen Realisierung.

Neu ist auch, wenngleich in der NATO – Praxis schon längst nicht mehr, dass China in den Fokus der NATO geraten ist. Nur am Rande bemerkt – es gab schon zu tiefsten Zeiten der Blockkonfrontation im NATO–Generalsekretariat eine China–Arbeitsgruppe. So wurde auf dem Gipfel betont, dass man die Aufmerksamkeit auf China richten müsse, da, so NATO–Generalsekretär Stoltenberg, „China nämlich inzwischen das Land ist, das nach den USA weltweit das meiste Geld für Verteidigung ausgibt.“ Fakt ist jedoch, dass man die Ausgaben Chinas im Vergleich mit denen der USA vernachlässigen kann.

Auf dem Gipfel haben die regierungsamtlichen Schauspieler der Öffentlichkeit Geschlossenheit, Einigkeit und gemeinsamen Willen vorgespiegelt. Die Wirklichkeit ist eine andere. Die USA und die Türkei liegen über Kreuz wegen Nordsyrien, des Umgangs mit den dort lebenden Kurden und wegen des Kaufs der Luftabwehrraketen S 400 aus Russland.

Der französische Präsident Macron erklärte zu den sich widersprechenden Positionen und Handlungen innerhalb der NATO, das Bündnis für hirntod. Ergebnis: Nicht nur eine Verstimmung mit den USA. Gleichzeitig forderte Macron eine Abkehr vom Feindbild Russland und andere Beziehungen mit Moskau. Frau Merkel war sofort dagegen.

Deutschland versucht sich Liebkind zu machen und hat zugesagt, der von den USA erklärten Senkung ihres NATO-Beitrages von 22,1 % auf 16,3 % positiv zu begegnen. Deshalb erhöht Deutschland seinen Beitrag von 14,8 auf 16,3 % und zahlt demzufolge den gleichen Beitrag wie die USA. Wer sagt’s denn ! Deutschland jammert auf hohem Niveau bei ständig steigenden Ausgaben für soziale Zwecke, bei Ausgaben für Rüstung und Kriegsabenteuer kann es aber nicht genug sein.

Das Jahr 2020 wird sicher weitere „NATO–Überraschungen“ zur Verfügung haben.

K. Rehbaum

02.01.2020