Ramelow obsiegt gegen Verfassungsschutz

„junge Welt“ vom 10.10.2013 / Inland / Seite 1

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Inlandsgeheimdienst darf Thüringer Linken-Fraktionschef nicht mehr bespitzeln

Der Verfassungsschutz darf Abgeordnete aus dem Bundestag oder aus Landtagen in begründeten Ausnahmefällen überwachen. Im Fall des Linke-Politikers Bodo Ramelow erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die jahrelange Überwachung am Mittwoch jedoch für verfassungswidrig. Das Gericht hob damit eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf. Der Fraktionschef der Linkspartei im thüringischen Landtag hatte gegen die Überwachung selbst geklagt. Die obersten Richter begründeten ihre Entscheidung damit, daß Abgeordnete durch das sogenannte freie Mandat nach Artikel 38 Grundgesetz besonders geschützt seien. Durch die Sammlung und Speicherung von Daten durch den Verfassungsschutz werde darin massiv eingegriffen. »Dieser Eingriff kann im Einzelfall gerechtfertigt sein, unterliegt jedoch strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen.« Bei Ramelow sei dies nicht der Fall. Der 57jährige ist seit 1999 Abgeordneter. Mehrere Jahre lang war er auch Vize-Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt bereits seit 1986 eine Akte über ihn. Das Urteil betrifft auch andere Linke-Abgeordnete, die der Verfassungsschutz wegen vermeintlich extremistischer Bestrebungen im Visier hat. Die Parteivorsitzende Katja Kipping forderte die sofortige Einstellung der Beobachtung ihrer Partei durch den Verfassungsschutz. Das Bundesinnenministerium erklärte, Ramelow werde schon seit längerem nicht mehr vom Verfassungsschutz observiert. Der Geheimdienst beschränke sich inzwischen auf die »offen extremistischen Strukturen« innerhalb der Partei Die Linke wie etwa die »Kommunistische Plattform« und das »Marxistische Forum«. Bodo Ramelow teilte am Mittwoch mit, daß er mehr als 30 Jahre lang »ausspioniert und ausgeschnüffelt« worden sei. Er bedankte sich bei allen, die ihn im Kampf gegen die staatliche Überwachung unterstützt hatten. (Reuters/dpa/jW)