USA-Iran: Makabrer Tanz am Rande des Abgrunds

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Ein Kommentar von Rainer Rupp.

Weder Trump noch Iran wollen einen heißen Krieg. Nicht nur die Weltwirtschaft, und damit auch die US-Wirtschaft, würden durch den Krieg schwer belastet werden, sondern das ohnehin wackelige, westliche Finanzsystem würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine zweite, noch schwerere Krise als 2008 stürzen. Das wäre Trumps Krieg und damit wären seine Aussichten auf eine Wiederwahl verpufft. Zudem hatte Trump seinen Wählern versprochen, die USA aus den Verstrickungen der Kriege im Mittleren Osten herauszulösen. Mit einem neuen Krieg gegen Iran würde er nicht nur das Gegenteil tun, sondern sein Land in einen noch viel größeren Sumpf führen, der tiefer ist als Irak und Afghanistan zusammen.

Was Iran betrifft, so will dort niemand Krieg. Das Land will unbehindert von den USA mit der Welt Handel treiben und Wachstum und Wohlstand für seine 80 Millionen Menschen mehren. Im Unterschied zu den USA, das seit seiner Gründung vor 238 Jahren mehr als 200 Kriege gegen Nachbarn und ferne Länder geführt hat, hat der Iran in dieser Zeit kein einziges Land überfallen. 

Aber der Chef der rassistischen, rechtsradikalen israelischen Regierung, Netanjahu hat seinen Wunsch nach einem Krieg gegen den Iran wiederholt bekräftig. Den Krieg sollen jedoch die USA für ihn führen und Israel will sich zurückhalten. Damit hat er sogar Aussichten auf Erfolg, angesichts der mächtigen zionistischen Lobby in Politik und Medien im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In den USA existiert seit langem das geflügelte Wort, dass „außer der Westbank in Palästina auch der US-Kongreß ein von Israel besetztes Gebiet ist“. 

Auch die neuen arabischen Verbündeten von Israel, Saudi Arabien und die anderen Feudalstaaten am Persischen Golf, die im schiitischen Iran ihren Erbfeind sehen, wollen Trump in einen Schießkrieg gegen Teheran locken. Unterstützt werden sie dabei von führenden Leuten aus Trumps eigenem Regierungsapparat, Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton vornweg. 

Diese unheilige Allianz von Israel, Saudi Arabien und Consorten, zusammen mit den Kriegstreibern in Washington wäre sicher dazu im Stande, wenn alle anderen Mittel versagen, mit eine Angriff unter „Falscher Flagge“ den ersehnten Kriegsgrund zu liefern. Wenn dabei auch noch US-Soldaten sterben würden, dann könnte Trump es sich nicht leisten, im bereits begonnenen Wahlkampf für eine zweite Amtsperiode wie ein Weichei auszusehen. Dann gäbe es für nur noch einen Ausweg: KRIEG. 

Aber auch Iran ist durchaus imstande, den Krieg zu beginnen, aber nur wenn es von den USA existenzbedrohend in die Ecke gedrängt wird. Iran hat klar gemacht, dass es nicht auf Dauer das Embargo seiner Öl-Exporte hinnehmen will. Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte bereits im vergangenen Jahr mit Nachdruck gewarnt: „Wenn wir unser Öl nicht exportieren können, dann soll das auch kein anderes Land im Persischen Golf tun“. Diese Warnung wurde seither von politischen und militärischen Spitzenvertretern in Teheran immer wieder bekräftigt. Aber diese Botschaft scheint Trumps Ohren bisher nicht erreicht zu haben. 

Trump scheint weiterhin zufrieden mit der Entwicklung. Er glaubt, warten zu können und hofft, dass die Wirtschaftssanktionen den Iran in den nächsten 15 Monaten bis zur US-Präsidentschaftswahl immer weiter in die existenzielle Krise treiben. Dann würde er – ohne Krieg geführt zu haben – toll vor seinen Wählern dastehen.

Aber solange will und wird Iran höchstwahrscheinlich nicht warten. Iran hat eine starke Trumpf-Karte in der Hand: die Straße von Hormus. Durch diese Meerenge werden etwa ein Drittel der Welterdölexporte verschifft. Ein Wegfall dieser Menge würde zu Chaos auf den Weltenergiemärkten führen. 

Den Schiffsverkehr durch die Straße von Hormus zu blockieren und die Blockade aufrecht zu halten, dürfte keine allzu große Anforderungen an die Fähigkeiten des iranischen Militärs stellen. Mit ziemlicher Sicherheit müsste Trump darauf militärisch reagieren und der Krieg, den er so gar nicht will, wäre unausweichlich. 

Aber es scheint, als ob die unheilige Allianz von Bolton, Pompeo, Netanjahu und dem saudischen Killer-Prinz das Tempo zum Krieg beschleunigen wollen. Dazu haben sie jetzt den Weg zur Piraterie auf hoher See gegen iranische Schiffe und anders beflaggte Schiffe mit iranischem Öl frei beschritten. 

Befehlen aus Washington folgend, kaperten vor wenigen Tagen britische Marinesoldaten in einer Piratenaktion den mit 300.000 Tonnen Öl beladenen iranischen Supertanker „Grace 1“ in internationalen Gewässern vor Gibraltar. Als Begründung gab London an, der Bestimmungsort für das iranische Öl sei Syrien gewesen und beruft sich auf die EU-Sanktionen gegen das Land. 

Großbritannien hat für diese Aktion jedoch absolut keine Rechtsgrundlage. Selbst der frühere schwedische Premierminister Carl Bildt, der bei der Vorbereitung des US/NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien eng mit den USA und der CIA zusammen gearbeitet hatte, also ein Freund der USA, findet das Verhalten der Briten durch nichts gerechtfertigt, wie seine nachfolgende Twitter-Nachricht zeigt:

„Carl Bildt @carlbildt – 9:24 PM – 7 Jul 2019″

Die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme eines Tankers durch Großbritannien, der mit Öl aus dem Iran nach Syrien fährt, fasziniert mich. Man (also London) bezieht sich auf EU-Sanktionen gegen Syrien, aber der Iran ist kein Mitglied der EU. Und die EU besteht grundsätzlich nicht darauf, dass ihre Sanktionen auch von anderen Ländern befolgt werden müssen. Das tun nur die USA.“

Zu Recht hat der stellvertretende iranische Außenminister Abbas Araqchi das britische Vorgehen denn auch als einen Akt der „Piraterie“ bezeichnet. Außerdem verwies er darauf, dass der Tanker gar nicht für Syrien bestimmt war. Sein Ziel sei „ein neuer, südeuropäischer Kunde“ für iranisches Öl. Wahrscheinlich Italien. 

Inzwischen hat eine maritime Recherche gezeigt, dass die „Grace 1“ mit einem Tiefgang von 22 Metern tatsächlich nirgendwo in Syrien ihre Fracht hätte entladen können. Derweil hat der iranische Verteidigungsminister, Brigadegeneral Amir Hatami, den Briten versprochen, auf ihre Piraterie angemessen zu reagieren.

Am Dienstag dieser Woche kam dann die Meldung, dass auch die ägyptische Militärdiktatur auf „Wunsch“ der US-Amerikaner einen mit iranischem Öl beladenen aber nicht iranisch beflaggten Tanker gestoppt und die Ladung beschlagnahmt hat. 

Das alles sieht ganz nach der Handschrift des B-Teams Bolton und Pompeo aus. 

Der ehemalige Chef der CIA, Pompeo, brüstet sich heute noch gerne in der Öffentlichkeit mit seinen kriminellen Methoden: „Wie haben gelogen, betrogen und gestohlen, ha, ha, ha“, lachte Pompeo unlängst, als er Studenten an einer Universität in Texas aus seinem Leben als Direktor der CIA-Folter-Agency erzählte. 

Berichten zufolge ist das B-Team tatsächlich dabei, eine internationale „Koalition der Willigen“ zusammenzustellen, die überall auf den Meeren Jagd auf Schiffe mit iranischem Öl machen soll. 

Zugleich ist zu erwarten, dass Iran die britische und ägyptische Provokationen nicht einfach hinnimmt. Aber sehr wahrscheinlich werden die iranischen Reaktionen asymmetrisch ausfallen. Man kann nur spekulieren. Die Briten haben z.B. viele Investitionen in der Golf-Region, die lohnenswerte Ziele für einen Vergeltungsschlag darstellen könnten. Und die Militärdiktatur in Kairo würde es höchst ungern sehen, wenn z.B. ihre Hubschrauber, die Jagd auf Regimegegner machen, von schultergestützten Flugabwehrraketen iranischer Herkunft abgeschossen würden. 

Insgesamt können wir erkennen, dass die US-Kriegstreiber im Verein mit Israel und Saudi Arabien und Co. weiterhin die Initiative haben, dass es ihnen gelingt, die Krise weiter  zuzuspitzen und den gesamten Mittleren Osten auf der glatten, schiefen Ebene in Richtung Absturz zu treiben. Es ist ein makabrer Tanz am Rande des Abgrunds, der große Teile der zivilisierten Welt verschlingen kann.

Erschienen bei KENFM unter ‘tagesdosis’ am 12.07.2019