Mark Mazzetti Killing Business – Der geheime Krieg der CIA

Mark Mazzetti, Killing Business – Der geheime Krieg der CIA

Geheimkriege und Obamas Außenpolitik

„Wir intervenieren, wann immer es in unserem
nationalen Sicherheitsinteresse liegt, ob es Ihnen passt oder nicht.
Gewöhn dich dran, Welt, wir lassen uns nichts gefallen.“
Duane „Dewey“ Clarridge, Alt-Kader der CIA (zit. S. 228)

Als die amerikanische Öffentlichkeit Mitte der 70er Jahre durch die Untersuchungen von Ausschüssen des Kongresses und des Senats über illegale Praktiken der CIA – z.B. Planung und Durchführung von blutigen Staatsstreichen, Ermordung von führenden ausländischen Politikern, Überwachung der eigenen Bevölkerung – aufgeschreckt wurde, führte das schnell zu drastischen Reaktionen: Der Präsident der USA verbot per Verwaltungsanordnung („Executive Order“) – verbindlich für alle US-amerikanischen Geheimdienste – grundsätzlich solche Praktiken. Zumindest offiziell wurde dieses Verbot auch eingehalten – bis die „Große Wende“ kam.
Als unmittelbare Reaktion auf die Attacken vom 11. September 2001 erklärte der Präsident der USA, George Bush, den „Krieg gegen den Terror“ und hob damit alle bisherigen Restriktionen der Geheimdienstarbeit auf – die Hunde wurden von der Kette gelassen.
Aber diese Entscheidung betraf nicht nur eng begrenzt die Aktivitäten der USA-Geheimdienste. Damit wurde insgesamt eine qualitativ neue Phase der imperialistischen Kriegführung eingeleitet. Diese neue Qualität beruht auf den drei Säulen: Einsatz unbemannter Kampf- und Aufklärungsplattformen (Drohnen), Informationskrieg (Cyberwar) und Einsatz speziell ausgebildeter Sonderkräfte.
Damit verwischte sich immer mehr der Unterscheid zwischen militärischen Einsätzen und geheimdienstlichen Sonderoperationen. Es bildet sich zunehmend ein „militärisch-geheimdienstlicher Komplex“ heraus.

Diese Entwicklung beschreibt der fachlich versierte Reporter der New York Times, Mark Mazzetti, in seinem detailreichen Buch über das „Geschäft des Tötens“.
Sein Resümee stellt er dem Buch gleich voran:
„Die CIA ist heute kein traditioneller Geheimdienst mehr, der anderen Staaten ihre Geheimnisse stiehlt. Sie ist zu einer Tötungsmaschine geworden, einer Organisation, die sich vollends der Menschenjagd verschrieben hat.“
Und weiter: Das Militär „wurde in die Grauzonen der amerikanischen Außenpolitik hineingezogen und führt heute mit Kommandoeinheiten Spionageeinsätze durch, denen Washington in den Jahren vor dem 11. September 2001 nicht einmal im Traum zugestimmt hätte.“ (S. 20/21)
Mit den dazu ergangenen Entscheidungen der US-Administration erhielt der US-Präsident die Vollmacht, überall auf dem Erdball, in jedem Lande, in dem nach den vorliegenden Informationen al-Qaida operierte, Krieg zu führen.
In den ersten Jahren nach 2001 realisierte die CIA diese Vollmacht vorwiegend über ein geheimes – und illegales – Inhaftierungs- und Folterprogramm. Verdächtige Personen wurden entführt und ohne jede Rechtsgrundlage weltweit in geheime Foltergefängnisse verbracht. Partner dafür waren meist Diktatoren, bei denen völkerrechtliche (z.B. die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen) und rechtsstaatliche Standards keine Rolle spielten.
Nach einer kritischen Analyse des Generalinspekteurs der CIA im Mai 2004 wurde diese rechtswidrige Strategie der „Terrorbekämpfung“ in den nächsten Jahren Schritt für Schritt zurückgefahren. Statt aufwändiger Entführungen und Verhöre gingen CIA und zunehmend auch das Pentagon dazu über, Terrorverdächtige durch ein umfassendes Tötungsprogramm direkt zu eliminieren, ohne Rücksicht darauf, ob dabei unbeteiligte Zivilisten Opfer der Mordanschläge wurden.
Tötungsmissionen durch Raketenangriffe mit Drohnen oder bewaffnete Einsätze von Sondereinheiten – die vom Weißen Haus auf Ziellisten erfassten Verdachtspersonen wurden ohne jede Anklage, ohne förmliche Gerichtsverfahren, meist ohne Beweise einer Schuld zu Opfern der Tötungsmaschinerie der Vereinigten Staaten.
Parallel dazu schuf die US-Administration vereinigte Kommandostrukturen, wodurch die Grenzlinien zwischen militärischen Einsätzen und geheimdienstlichen Sonderoperationen immer weiter verwischt wurden. Damit wurden geheime Kriege zu einem Grundpfeiler der Außenpolitik des Friedensnobelpreisträgers Obama.

Der Autor führt uns mit seinen Recherchen in die Hauptoperationsgebiete des US-amerikanischen „Krieges gegen den Terror“ – insbesondere Pakistan/Afghanistan, Jemen, Somalia. Dabei zeichnet er die Entwicklung der neuen Taktiken und Methoden des „Anti-Terror-Kampfes“ nach und im Detail die immer engere Verflechtung zwischen Geheimdienst und Militär.
Ein Paradebeispiel, das uns Mazzetti ausführlich darlegt, ist die Aufklärung des Wohnsitzes von Osama bin Laden in Abbottabad, einem Ort mitten in Pakistan, und letzten Endes die militärische Operation zu seiner Liquidierung. Der Autor nennt sie die größte und kostspieligste Menschenjagd in der Geschichte (S. 320), die unter bewußter Verletzung der Souveränität eines partnerschaftlich verbundenen Staates erfolgte.

Mazzetti verweist an verschiedenen Stellen auf Informationen, wie bestimmte Konflikte auch durch die Auslagerung von Aufgabenstellungen an privatwirtschaftliche Söldner-Unternehmen gelöst werden sollten. Diese privaten Dienstleister der US-amerikanischen Geheimkriege werden meist von ehemaligen CIA-Beamten oder früheren Angehörigen der Spezialeinsatzkräfte betrieben und wurden zu einem unverzichtbaren Teil des neuen militärisch-geheimdienstlichen Komplexes der Vereinigten Staaten. Ein früherer Justitiar der CIA verweist auf das unvermeidliche Dilemma bezüglich der Loyalität dieser Dienstleister: „Gilt sie der Fahne? Oder gilt sie der Bilanz?“.

Mark Mazzetti: „Killing Business – Der geheime Krieg der CIA“
Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin, 2013; ISBN 978-3-8270-1174-9;
geb. , 416 Seiten; 22,99 Euro

veröffentlicht in “neues Deutschland”, Beilage: Bücher zum Verschenken vom 23. 11. 2013 unter der Überschrift: „Die Hunde wurden von der Kette gelassen“.

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