Russlands Intervention und das internationale Recht – Eine Rekapitulation

von George Pumphrey

 „Russland führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine“. Dieses NATO-Narrativ, basierend auf einem selektiven Umgang mit der UN-Charta, hat sich als allgemeingültige Meinung durchgesetzt. Es wurde auch von der Mehrheit in der Friedensbewegung sofort und unkritisch übernommen.

Obwohl die UN-Charta zur Nichtanwendung von Gewalt in internationalen Angelegenheiten aufruft, nennt sie auch Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Gewalt. Diese müssen daraufhin geprüft werden, ob sie für die Anwendung von militärischer Gewalt durch Russland zutreffen.

Schon der Passus, der die Anwendung von Gewalt verbietet, Artikel 2 Ziffer 4 (der so oft zitiert wird, um Russland der Aggression zu bezichtigen), wird gewöhnlich aus dem Zusammenhang gerissen.

Artikel 2 Ziffer 4 steht jedoch nicht allein, sondern ist eingebettet in einen Komplex von anderen Verpflichtungen, die ebenfalls erfüllt werden müssen. Die Ziffern 1, 2 und 3 bilden den Kontext für Ziffer 4. Diejenigen, die sich an das Nato-Narrativ halten, wenden jedoch Ziffer 4 AUSSCHLIESSLICH auf Russland an. Die UN-Charta gilt jedoch für ALLE Konfliktparteien.

„Artikel 2

Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen:

Ziffer 1. die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.

Ziffer 2. alle Mitglieder erfüllen, um ihnen allen die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Rechte und Vorteile zu sichern, nach Treu und Glauben die Verpflichtungen, die sie mit dieser Charta übernehmen.

Ziffer 3. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

Ziffer 4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Während Artikel 2 Ziffer 4 ausschließlich auf Russland angewandt wird und auf den Eintritt russischer Truppen in den laufenden Krieg in der Ukraine datiert wird, werden die Vorgeschichte und die Aktivitäten der anderen Parteien des Ukraine-Konflikts absichtlich verschwiegen.

Zu Ziffer 1: Russland hat wiederholt gegen das Vorrücken der NATO einschließlich der Verlagerung von Waffenvorräten bis an seine Grenzen protestiert, ebenso gegen die zunehmende Zahl von Manövern mit dem ausdrücklichen Ziel, die Kriegsführung gegen Russland zu üben einschließlich mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Die NATO nahm die Beschwerden Russlands lediglich mit einem Achselzucken zur Kenntnis und erklärte, die Manöver seien rein defensiver Natur. Auch wenn es wenig Sinn machte, die Beschwerden vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, da drei der fünf ständigen Mitglieder auch Mitglieder der NATO sind – Moskau tat es trotzdem.

Zu Ziffer 3: Die russische Regierung hatte sich bis zum letzten Augenblick für eine friedliche Lösung des Konflikts im staatlichen Rahmen der Ukraine eingesetzt, wie es im Minsker Abkommen vorgesehen war.

Am 17. Februar 2015 hatte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 2202 (2015) das Minsker Abkommen als völkerrechtlich verbindlich anerkannt, das unter anderem auch einen Sonderstatus für den Donbass vorsah. Als Garantiemächte sollten Deutschland, Frankreich und Russland für seine Umsetzung sorgen.

Das zentrale Element von Minsk II war der direkte Dialog zwischen Kiew und den Vertretern der Volksrepubliken im Donbass, zu dem letztere bereit waren. In einem Schreiben an den russischen Außenminister Sergei Lawrow im November 2021 erklärten Deutschland und Frankreich, dieses zentrale Element nicht mehr zu unterstützen. Es war die faktische Aufkündigung des völkerrechtlich verbindlichen Minsker Abkommens. Damit wurde die Lösung des Konflikts im Rahmen der staatlichen Einheit der Ukraine unmöglich gemacht. Später, auf einer Pressekonferenz im September 2022 wies Außenminister Lawrow darauf hin, dass auch der UN-Generalsekretär nicht „aktiv genug die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen unterstützt hat“.

Präsident Poroschenko, ukrainischer Unterzeichner des Minsker Abkommens, erklärte im November 2022, eine friedliche Beilegung des Konflikts sei nie das Ziel gewesen. Er habe das Minsker Abkommen gebraucht,

„um das ukrainische Militär zusammen mit der NATO auszubilden. Um die besten Streitkräfte in Osteuropa zu schaffen, die nach NATO-Standards ausgebildet wurden.“

Dass dies ebenso die Absicht der Garantiemächte Deutschland und Frankreich war, bestätigten kurz danach auch deren damalige Verantwortliche.

Angela Merkel, die ehemalige Bundeskanzlerin gab freimütig zu:

Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Es war uns allen klar, dass das ein eingefrorener Konflikt war, dass das Problem nicht gelöst war, aber genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit gegeben.“

François Hollande, ehemaliger französischer Präsident:

Seit 2014 hat die Ukraine ihre militärische Position gestärkt. (…) Es ist das Verdienst der Minsker Vereinbarungen, der ukrainischen Armee diese Möglichkeit gegeben zu haben. (…) Die Zeit, von der Putin dachte, sie sei ein Vorteil für ihn, erwies sich also in Wirklichkeit als Chance für die Ukrainer.“

Der deutsche Generalmajor a. D. Harald Kujat, vormals Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses:

Russland bezeichnet das verständlicherweise als Betrug. Und Merkel bestätigt, dass Russland ganz bewusst getäuscht wurde. Das (…) ist ein eklatanter Vertrauensbruch und eine Frage der politischen Berechenbarkeit. Nicht wegdiskutieren kann man allerdings, dass – in Kenntnis dieser beabsichtigten Täuschung – die Weigerung der ukrainischen Regierung [Selenskij], das Abkommen umzusetzen, noch wenige Tage vor Kriegsbeginn einer der Auslöser für den Krieg war. Die Bundesregierung hatte sich in der UNO-Resolution dazu verpflichtet, das ‚gesamte Paket‘ der vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Darüber hinaus hat die Bundeskanzlerin mit den anderen Teilnehmern des Normandie-Formats eine Erklärung zur Resolution unterschrieben, in der sie sich noch einmal ausdrücklich zur Implementierung der Minsk -Vereinbarungen verpflichtete. (…) Das ist ein Völkerrechtsbruch (…) Der Schaden ist immens. Man muss sich die heutige Situation einmal vorstellen. Die Leute, die von Anfang an Krieg führen wollten und immer noch wollen, haben den Standpunkt vertreten, mit Putin kann man nicht verhandeln. Der hält die Vereinbarungen so oder so nicht ein. Jetzt stellt sich heraus: Wir sind diejenigen, die internationale Vereinbarungen nicht einhalten.“ (Hervorhebungen G.P.)

Im März 2021, ein Jahr bevor Russland in den Ukraine-Krieg eintrat, unterzeichnete der ukrainische Präsident Selenskij ein Dekret zur MILITÄRISCHEN Rückholung des Donbass und der Krim. Selenskij wies die Regierung an, einen „Aktionsplan“ für dessen Umsetzung auszuarbeiten. Dieses Dekret wurde für eine ukrainische Armee erlassen, die von NATO-Kräften bewaffnet, ausgebildet und auf NATO-Standard gebracht worden war. Die Krim ist russisches Territorium. Dieses Dekret war also eine de facto Kriegserklärung an Russland.

Der Kommunikationsdirektor des US-Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby prahlte damit, wie „in den letzten acht Jahren die Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien und andere Verbündete wirklich geholfen haben, die Ukrainer auszubilden (…)“ und die ukrainische Armee von „einem [Militär] aus der Sowjetära (…) in eine Armee umgewandelt haben, die viel westlicher ausgerichtet ist.“

Während einer Pressekonferenz im Jahr 2023 antwortete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf die Frage, welche Veränderungen der seit einem Jahr andauernde Krieg in der Ukraine für die NATO mit sich gebracht habe, wie folgt:

„In gewisser Weise hat es die Nato nicht verändert. Es hat gerade die Bedeutung der Nato gezeigt und wie wichtig sie war. Tatsächlich hat die Nato seit 2014 die größte Verstärkung der kollektiven Verteidigung seit einer Generation durchgeführt, weil der Krieg nicht im Februar letzten Jahres begonnen hat. Er begann im Jahr 2014. Und das löste eine große Anpassung unseres Bündnisses mit einer höheren Bereitschaft der Streitkräfte aus, mit mehr Präsenz im östlichen Teil des Bündnisses, mit mehr Übungen. (…) Wir haben uns 2016 für die Kampfgruppen entschieden. Und wir haben unsere Präsenz sogar in den Monaten vor der Invasion verstärkt, weil die Invasion keine Überraschung war. Das war eine Invasion, von der wir wussten, dass sie kommen würde, und deshalb waren wir darauf vorbereitet, als sie passierte.“

Damit hat die NATO selbst eingestanden, dass der Krieg in der Ukraine nicht mit der Intervention Russlands am 24. Februar 2022 begann, sondern bereits 2014 mit dem US-geführten Putsch, der Faschisten an die Macht gebracht hatte.

Im Januar 2023 erklärte James Bierman, ein hochrangiger General der US-Marines, gegenüber der Financial Times, dass die Erfahrungen, die die NATO bei der Vorbereitung der Ukraine auf einen Krieg gegen Russland gemacht hat, nun auch auf Taiwan angewandt werden, um sie gegen die Volksrepublik China einzusetzen:

„Warum sind wir in der Ukraine so erfolgreich? Das liegt zum großen Teil daran, dass wir nach der russischen Aggression [sic] in den Jahren 2014 und 2015 ernsthaft begonnen haben, uns auf künftige Konflikte vorzubereiten: Ausbildung der Ukrainer, Bereitstellung von Nachschub, Identifizierung von Standorten, von denen aus wir Unterstützung leisten und Operationen aufrechterhalten könnten. Wir nennen das „den Schauplatz vorbereiten“. Und wir sind dabei, den Schauplatz in Japan, auf den Philippinen und an anderen Orten vorzubereiten.“

Was Bierman als „russische Aggression“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit die Tatsache, dass der Beitritt der Krim zur Russischen Föderation den Plan der NATO vereitelte, Russland eines seiner ganzjährigen Warmwasser-Marinestützpunkte zu berauben – Sewastopol, den Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte. Die NATO hatte geplant, dass die Ukraine Russlands Pachtvertrag für Sewastopol aufkündigt, damit sie den Stützpunkt übernehmen kann für einen Krieg gegen Russland.

Das vom Westen aufgekündigte völkerrechtliche Abkommen Minsk II, die provozierenden Ankündigungen über eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und deren nukleare Bewaffnung und die zunehmende militärische Aufrüstung des Landes verschärften die Spannungen mit Russland. Am 8. Februar 2022 hatte die NATO-Denkfabrik Atlantic Council in einem Strategiepapier empfohlen: „Das Ziel Washingtons sollte die Vertreibung der Russen aus der Ostukraine sein.“

Die russische Regierung hatte vergebens auf die politische Einsicht ihrer westlichen „Kollegen“ gehofft und im Rahmen des Minsker Prozesses darauf bestanden, Donezk und Lugansk mit einem Sonderstatus in die Ukraine zurückzuführen. Es sei ein Fehler gewesen, wie Präsident Putin heute meint. „Russland hätte die Donbass-Republiken früher anerkennen sollen.“ Es hätte womöglich viel Leid erspart. Aber natürlich hätte es Russland nicht vor dem Geschrei aus dem Westen – und Anschuldigungen auch aus der Friedensbewegung – bewahrt, dass dies „völkerrechtswidrig“ sei.

Mit konkreten Vorschlägen für Verträge mit den USA und der NATO über gegenseitige Sicherheitsgarantien hatte die russische Regierung noch im Dezember 2021 versucht, die Situation zu entschärfen und die Grundlage für ein friedliches Miteinander zu schaffen.

Als Kiew im Januar/Februar 2022 den Aggressionskrieg durch die Konzentration seines Militärs mit seinen Neonazi-Bataillonen an den Grenzen von Donezk und Lugansk erheblich ausweitete, als die Artillerieangriffe gegen die dortige Bevölkerung immer intensiver wurden, als die USA/NATO immer noch keine konstruktive Antwort auf die russischen Vorschläge gegeben hatte, machte die russische Regierung laut einer Pressemitteilung am 17. Februar einen letzten Versuch, den bevorstehenden massiven Überfall der Kiewer Truppen zu verhindern und eine friedliche Lösung herbeizuführen. Moskau warnte:

„Sollte die amerikanische Seite nicht bereit sein, feste, rechtlich verbindliche Garantien zu vereinbaren, um unsere Sicherheit vor den USA und ihren Verbündeten zu gewährleisten, wird Russland gezwungen sein, zu reagieren, auch mit militärtechnischen Maßnahmen.“

Die Autoren des Buches „Endspiel Europa“, Ulrike Guérot und Hauke Ritz, liefern in ihrem Kapitel „Wer hat den Krieg begonnen?“ eine Chronologie der Konflikteskalation vor allem auf Seiten der Ukraine und ihrer Nato-Verbündeten gegen die Donbass-Republiken und Russland.

Sie notieren, dass am 14. Februar 2022 Präsident Joe Biden erklärte, dass er einen Angriff Russlands auf die Ukraine am 16. Februar erwarte.

„(…) Tatsächlich begann am 16. Februar 2022 ein immer stärkerer Beschuss der Republiken Donezk und Lugansk durch die Ukraine. Am 18. Februar war der Beschuss gegenüber dem 14. Februar bereits um das 34-Fache gestiegen. Für den Fall, dass die Ukraine selbst eine Offensive geplant hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass diese ganz ähnlich begonnen hätte, nämlich mit massivem Artilleriebeschuss. In gewisser Weise könnte man deshalb ebenso den 16., 17. oder 18. Februar zum Tag des Kriegsbeginns erklären.“

Dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich um eine koordinierte Bemühung handelte, Russland zum Eingreifen zu zwingen. Die gesamte Vorgeschichte der Intervention – einschließlich der vorangegangenen acht Jahre Krieg – wird systematisch verschwiegen, um das NATO-Narrativ von Russland als „Aggressor“ aufrechtzuerhalten.

George Beebe, ehemaliger Direktor der Russland-Abteilung der CIA, blickt zurück:

„Die Wahl, vor der wir in der Ukraine standen – und ich nutze absichtlich die Vergangenheitsform – war, ob Russland sein Veto zu einer NATO-Beteiligung in der Ukraine am Verhandlungstisch oder auf dem Schlachtfeld ausüben würde. Und wir entschieden uns, dafür zu sorgen, dass das Veto auf dem Schlachtfeld ausgeübt wird, in der Hoffnung, dass Putin sich entweder zurückhält oder der Militäreinsatz scheitert.“

Die USA/NATO/EU hatten kein Interesse an einer friedlichen Lösung. Die Strategie war, Russland zu schwächen und zu dezimieren.

Eine Ukraine – mit ihrem faschistischen, russophoben Regime, als NATO-Mitglied, bewaffnet mit NATO-Waffen, die Moskau in wenigen Minuten erreichen können – ist eine von den USA (NATO) bewusst gesetzte Bedrohung Russlands, um einen Krieg vor allem zwischen Moskau und den europäischen NATO-Partnern zu provozieren.

In den 1960er Jahren hatten die USA bereits etwas Ähnliches unternommen, indem sie nukleare Mittelstreckenraketen in Italien und der Türkei stationierten, die Moskau in wenigen Minuten erreichen konnten. Erst als die Sowjetunion mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen auf Kuba antwortete, erklärten sich die USA bereit, ihre landgestützten Raketen vom europäischen Kontinent abzuziehen, wenn die Sowjetunion im Gegenzug ihre Raketen aus Kuba abzieht. (Im NATO-Westen wird gewöhnlich nur eine Hälfte dieser Geschichte erzählt.)

In Anbetracht der Tatsache, dass der Anwendung militärischer Gewalt durch Russland die absolute Weigerung vorausging, über eine friedliche Lösung zu verhandeln, selbst nach der Warnung, dass Moskau militärische Maßnahmen zur Beseitigung der Bedrohung ergreifen würde, einerseits und des ständig wachsenden militärischen Drohpotentials gegen Russland andererseits, scheint dies ein prima facie Fall der Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta zu sein:

„Artikel 51

„Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der in der Diskussion über den Ukraine-Konflikt eine Rolle spielt: Russlands Anerkennung der beiden Donbass-Republiken und die Verträge über Freundschaft und gegenseitigen Beistand. Es wird argumentiert, dass die Anerkennung der Volksrepubliken Donbass als souveräne Staaten durch Russland – die Voraussetzung für ein Beistandsabkommen – nicht unter das Völkerrecht fällt. Ein Beispiel für diese Argumentation:

„Selbst wenn aus Donezk und Lugansk Bitten gekommen sind, den ‚Volksrepubliken‘ zu helfen, ist das nicht relevant. Es kann keine einzelne Region eines Staates einen anderen Staat zur Intervention auffordern.“

Zunächst einmal beruht dieses Argument auf einem falschen Bild der Situation, in der sich die Ukraine seit dem Maidan-Putsch im Jahr 2014 befindet.

Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion der Freidenker und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes machte darauf aufmerksam:

„Die Argumente, mit denen Russland Völkerrechtsbruch nachgewiesen werden soll, gehen abstrakt von der Prämisse aus, dass Russland aus heiterem Himmel ein Stück eines souveränen Staats abgetrennt hätte. Was dagegen wirklich in der Ukraine geschehen war: durch einen gewalttätigen Putsch wurde die rechtmäßig gebildete und international anerkannte Regierung in Kiew gestürzt. NATO-treue Kräfte unterstützten diesen Gewaltakt über verschiedene Kanäle. (…)

Dies stellte eine verdeckte NATO-Aggression gegen die Ukraine dar. Sofort zeigte sich, dass die Putschregierung über große Teile des Landes keine Kontrolle hat. Trotzdem wurde sie im Eilverfahren von den USA, den NATO- und EU-Staaten als legitime Vertretung der Ukraine anerkannt. Die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine wurden durch die NATO-Regierungen verletzt.

Denn es waren die USA, die NATO und die EU, die dadurch faktisch einen Teil der Ukraine unter ihren Einfluss brachten, unter Bruch des Völkerrechts und der ukrainischen Verfassung. (…)

Die Sezession der Donbass-Republiken ist kein Verstoß gegen das Völkerrecht, denn dies ist eine innerstaatliche Angelegenheit, zu der das Internationale Recht naturgemäß nichts sagt.

Sie verstößt wahrscheinlich gegen die ukrainische Verfassung, doch diese wurde von den Putschisten suspendiert.

Die russische Anerkennung verstößt auch nicht gegen das Völkerrecht, und an die ukrainische Verfassung ist Russland nicht gebunden.

Nach den anschließend angenommenen Verträgen über Beistand und Freundschaft zwischen Russland und den Donbass-Republiken waren die Bedingungen für die Wahrnehmung des Rechts auf Selbstverteidigung gem. UN- Charta gegeben. (…)“

Konkret geht es um die Frage, ob unabhängige Staaten und Gebiete, die noch nicht international anerkannt sind, Anspruch auf Schutz durch die Charta haben. In Artikel 7 der Resolution 3314 (XXIX) der Erklärung der UN-Generalversammlung „Definition der Aggression“ heißt es:

„Diese Definition, insbesondere ihr Artikel 3, kann in keiner Weise das sich aus der Charta herleitende Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit von Völkern beeinträchtigen, die dieses Rechtes gewaltsam beraubt wurden (…) insbesondere nicht von Völkern unter kolonialen oder rassistischen Regimen oder anderen Formen der Fremdherrschaft; noch das Recht dieser Völker, im Einklang mit den Grundsätzen der Charta und in Übereinstimmung mit der genannten Erklärung, für dieses Ziel zu kämpfen und Unterstützung zu suchen und zu erhalten.“

Das illegale neonazistischste Maidan-Putschregime hatte sich die endgültige Entrussifizierung der Ukraine auf die Fahnen geschrieben. Die russische Sprache und Kultur sollten ausgerottet werden. Ethnische Russen wurden systematisch diskriminiert. Das betraf insbesondere die russische Mehrheitsbevölkerung im Donbass, die das rassistische Regime in Kiew als Fremdherrschaft erlebten.

Die Donbass-Republiken hatten ihr Recht auf Unabhängigkeit in ihrer achtjährigen erfolgreichen Verteidigung gegen die militärische Aggression des fremdbestimmten, faschistischen, russophoben Regimes in Kiew erkämpft. Sie waren jedoch bereit, unter bestimmten gesetzlich verankerten Garantien, wie in den Minsker Vereinbarungen festgelegt waren, in den Machtbereich dieses Regimes zurückzukehren. Da weder Kiew noch seine westlichen Sponsoren bereit waren, diese Garantien zu erfüllen und stattdessen eine militärische Lösung des „Problems“ vorzogen, fallen die Donbass-Republiken unter den Schutz von Artikel 7 der Resolution 3314 (XXIX). Sie hatten das Recht, verbündete Staaten um militärische Unterstützung zu bitten und diese auch zu erhalten.

George Pumphrey ist Aktivist in der Friedenskoordination (Friko), Berlin

Zuerst erschienen im Freidenker am 8. November 2025