Amerika First?

von Oberst a.D. Bernd Biedermann

Wie borniert muss man eigentlich sein, um so aufzutreten, wie es die Vertreter des Pentagon nach dem Angriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen Ziele in Syrien getan haben?

Die Pressekonferenz am 14.4. wurde von einer smarten, sehr jungen Mitarbeiterin des Pentagons geleitet. Der anwesende Drei-Sterne-General McKenzie kam nur zu Wort, wenn sie es zuließ. An einem Vorhang hinter ihren Rednerpulten waren notdürftig zwei kleinformatige Blätter befestigt, auf denen die Ziele des Angriffs in unscharfer Form dargestellt waren. Die Botschaft des Generals lautete: „Alle Ziele vernichtet, keine eigenen Verluste.“ Wie sich zeigte, waren wohl nur sehr wenige Journalisten überhaupt anwesend. Die meisten Fragesteller wurden von der schwarzen Schönheit mit ihren Vornamen angesprochen. Zu erkennen waren sie nicht, weil die Kamera sie nur von hinten zeigte. Wie der General auf die zusätzlichen und meist simplen Fragen antwortete, war typisch für US-Militärs: Er bediente sich einer auffällig armseligen Sprache, ließ keinerlei Sachkenntnis erkennen und zeigte keine Emotion.

Inzwischen weiß man allerdings: Die Lügen der USA sind Legion, wenn es um die Begründung völkerrechtswidriger Angriffskriege oder Vergeltungsaktionen geht. Seit 1945 haben die Vereinigten Staaten mehr als 200 Kriege geführt. Nicht einem einzigen ist eine Kriegserklärung vorausgegangen, aber in fast allen Fällen eine Lüge.

Wie war es nun mit der Aktion am 14.4.2018 gegen Syrien?
Der Angriff war keineswegs ein symbolischer Schlag, er war vielmehr eine flagrante Verletzung des Völkerrechts. Er war vollkommen ernst gemeint und er war aus militärischer Sicht ein Schlag ins Wasser.

Hier der Versuch, die Fakten zu nennen:
Am 14. April von 03:42 bis 05:10 Uhr Moskauer Zeit (02:42 bis 04:10 MESZ) haben Flugzeuge und Schiffe der US-Streitkräfte gemeinsam mit den Luftstreitkräften Großbritanniens und Frankreichs (?)[1] mehr als 100 Marschflugkörper und Luft-Boden-Raketen gegen Objekte der militärischen und zivilen Infrastruktur Syriens abgefeuert. (Einige Quellen nennen die Zahl 103, andere 110.) Wie der Chef der Operativen Verwaltung der Russischen Streitkräfte, Generaloberst Rudskoi, noch am 14.4. erklärte, habe die syrische Luftabwehr 71 der angreifenden Flügelraketen, Luft-Boden-Raketen und lenkbaren Bomben GBU-38 abgefangen [2]. „Die russischen Luftverteidigungssysteme in den Militärbasen Hmeimim und Tartus haben alle Raketenstarts – sowohl von see- als auch von luftgestützten Trägermitteln der USA und GB – rechtzeitig ermittelt und überwacht. Es wurden keine angekündigte Teilnahme der französischen Fliegerkräfte registriert“, so Rudskoi.

An der Abwehr des Angriffs nahmen folgende syrische Luftverteidigungssysteme teil: S 125, S 200, BUK, Tor-Quadrat, OSA und Panzir. Zum besseren Verständnis: Abgefangen heißt nicht unbedingt vernichtet! Die Syrer verfügen durchaus über erhebliche und wirksame Mittel der Funktechnischen Gegenwirkung und vielfältige Störmöglichkeiten.

Nach Angaben des russischen Kriegsreporters Evgeniy Poddubnyy, der mit seinem Kamerateam gerade Stellungen und Flugplätze besuchte, die laut US-Propaganda angegriffen und zerstört wurden, hat die syrische Luftverteidigung abgefangen:

4 von 4 Flügelraketen auf den Flugplatz Djuvali
12 von 12 FR auf den Flugplatz Dumeir
18 von 18 FR auf den Flugplatz Blej
12 von 12 FR auf den auf den Flugplatz Sheirat
5 von 9 FR auf den ungenutzten Flugplatz Mezze
13 von 16 auf den Flughafen von Horms
7 von 30 auf die Ortschaft Barsa

Zudem wurden fünf lenkbare Bomben GBU-38 von US-Kampfjets vor der jordanisch-syrischen Grenze abgeworfen, von denen zwei ein Forschungszentrum bei Damaskus getroffen haben. Drei wurden abgefangen [3].

Warum keine Trägermittel (Schiffe und Flugzeuge) abgeschossen wurden, ist inzwischen klar. Nicht ein einziges von ihnen ist die Wirkungszonen der syrischen Luftverteidigung eingedrungen. Alle haben ihre Waffen außerhalb der Reichweite der Flugabwehrsysteme der syrischen Armee gestartet.

Höchst verantwortungsvoll hat sich die russische Seite verhalten. Obwohl sie von den USA nicht, wie für solche Fälle vereinbart, vorher informiert wurde, griff sie nicht aktiv in die Handlungen ein.

Bleibt festzustellen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben 71 von 103 abgefeuerten Einsatzmitteln ihre Ziele nicht erreicht. Sie wurden abgelenkt, haben technisch versagt oder wurden abgeschossen. Jeder Stratege weiß, dass sich bei einer so geringen Wirksamkeit und einer solchen Verlustrate jeder weitere Versuch dieser Art verbietet.
Ob man in Washington, London und Paris diese Botschaft verstanden hat, bleibt abzuwarten.

P.S. Wie sputniknews am 19.4. mitteilte, sind zwei der von strategischen Bombern B-2 gestarteten „smarten“ US-Raketen, die offensichtlich unversehrt zu Boden gegangen sind, inzwischen in Russland angekommen. Es handelt sich dabei um die sog. JASSM (Joint Air-to Surface Standoff Missiles) AGM-185A. In jedem Fall werden sie den russischen Experten helfen, sie noch besser als bisher abzuwehren.

Oberst a.D. Bernd Biedermann                                                                             23.4.2018

[1] Wie sich inzwischen herausgestellt hat, konnte Frankreich keine Trägersysteme einsetzen

[2] RIA Novosti unter https://ria.ru.syria/20180414/1518636909.html 

[3] Quelle: https://topwar.ru/139850-dengi-na-veter-ni