Am 7. November 1944 wurde Richard Sorge vom Militärregime Japans in Tokio ermordet. Mitglieder und Sympathisanten der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e. V. (GRH) erinnerten am 7. November 2015, wie jedes Jahr, in der nach ihm benannten Straße in Berlin-Friedrichshain an den marxistischen Wissenschaftler, Journalisten und sowjetischen Kundschafter.
Die Gedenkrede hielt Bruno Mahlow.
Wir veröffentlichen die Rede im vollen Wortlaut:
1933 durchlebten auch die Beamten der deutschen Botschaft in Tokio schwere Zeiten. Die Weimarer Republik gab es nicht mehr. Hitler wurde Reichskanzler, die Nazis kamen an die Macht. Der Reichstag brannte, 70000 Häftlinge wurden in Gefängnisse oder in Konzentrationslager gesperrt. Alle Parteien, außer der NSDAP waren verboten. Hitler erklärte offen vor amerikanischen und britischen Journalisten, dass es zwischen Deutschland und Kommunisten keinen Kompromiss geben kann und Deutschland sich voll mit der Suche nach Lebensraum beschäftige.. Rosenberg eilte nach London, um bei einem internen Mittagessen mit britischen Konservativen den Plan zur „ Vernichtung des Bolschewismus mit voller Zustimmung und im Auftrag Europas“ darzulegen.
In der deutschen Botschaft herrschte Verwirrung, Angst und Misstrauen. Jeden Neuankömmling erwartete krankhaftes Interesse um die Frage: Was ist los? . Dies bekam am 6.September 1933 auch der in der Botschaft zur Registrierung erschienene Dr. Richard Sorge zu spüren – ein in Japan akkreditierter Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“, des „Börsenkuriers“ und des „Amsterdamer Handelsblattes“. Hochgewachsen, auf einem Bein aufgrund einer schweren Kriegsverwundung humpelnd, schlank, mit Charme und Humor, selbstbewusst, verstand es unaufdringlich sich als Herr der Situation zu präsentieren, als Mann mit offensichtlich besonderen Vollmachten ausgestattet. Er erkannte sofort – die Beamten sind von Angst um sich selbst, um ihre Posten erfasst und in ihrer Mehrheit um Anpassung bemüht.
So begann für ihn seine Aufklärungsarbeit als Leiter der Operation „Ramsai“. Sorge hatte einen dreijährigen Einsatz in China hinter sich und bis zu seiner Verhaftung im Oktober 1941 eine ihm alles abverlangende Arbeit als Kundschafter der Roten Armee in Japan vor sich. Die Hauptaufmerksamkeit der Informationsarbeit war auf das faschistische Deutschland, seine Angriffspläne gegen die Sowjetunion gerichtet. Informationen zu Japan trugen Präventivcharakter. Es galt die japanisch-deutschen Beziehungen unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens gegen die UdSSR und der vom militaristischen Japan ausgehenden Gefahren eines Angriffs auf die fernöstlichen Grenzen der Sowjetunion zu beobachten. Letzteres erwies sich als von größter Bedeutung nach dem 22. Juni 1941.
An zwei bekanntesten und bedeutendsten Leistungen der Gruppe Ramsai sei hier erinnert. Sorge funkte zunächst den Monat Mai als möglichen Angriffstermin für den deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Am 30. Mai nannte er als solchen die zweite Hälfte des Monats Juni. Moskau schwieg und reagierte erst am 12.Juni – psychologisch so gut es ging, feinfühlig – doch Sorge verstand. Moskau zweifelt. Warum? Er konnte damals nicht wissen, was uns heute bekannt ist. In Moskau lagen viele widersprüchliche Informationen vor. Es stand die Frage riskiert Hitler einen Krieg gegen England und die Sowjetunion? Stalin ließ erkunden ob die zusammengezogenen Wehrmachtstruppen mir Winterkleidung ausgerüstet waren. Das Ergebnis war – nein. Stalin fragte – hat Hitler die Lehren des Napoleon-Feldzug vergessen, ist er ein Wahnsinniger?
Es wurden schwere zermürbende Tage für Sorge und seine Mitstreiter. Zumal die Verfolgung ihrer Arbeit, der Funksprüche durch den japanischen Geheimdienst immer offensichtlicher wurde. Am 17. Juni funkte Sorge schließlich den 22. Juni als genauen Termin für den deutschen Überfall – mit 9 Armeen und 150 Divisionen. Denn der japanische Botschafter in Berlin wurde über den genauen Termin informiert und dazu mit der Aufforderung an Japan, gleichzeitig die Sowjetunion im Osten anzugreifen. Wie wird die japanische Führung reagieren? Sorge vertieft sich in das intensive Studium der Wirtschaftsstruktur Japans, sucht die sensibelste Stelle des Landes. Und erkundet sie. Es sind nicht die Finanzen, die Versorgungslage u.a, sondern – die Brennstoffe und deren Abhängigkeit von ausländischen Quellen. Die Erdölreserven reichen nur für ein halbes Jahr und somit nicht für einen voraussehbaren langwierigen Krieg (zumal der erwartete deutsche Blitzkrieg sich hinzog) bei gleichzeitiger Belastung der Invasionspolitik in China und SOA. Wach war auch die schmerzliche Erinnerung an die Niederlage bei Chalkin-Gol während der Intervention gegen die Mongolische Volksrepublik, wo im August 1939 aufgrund des Freundschaftspaktes die sowjetischen und mongolischen Truppen unter dem Kommando von General Shukow sechs japanische Divisionen aufrieben. Dazu kamen noch die japanischen Erfahrungen mit der Wortbrüchigkeit Hitlers.
Sorge in der deutschen Botschaft und Odsaki in japanischen Führungskreisen sorgten ihrerseits in Gesprächen mit ihren Wertungen und Kommentaren dafür, die Entscheidungen zu beeinflussen. Bereits am 6. September 1941 informierte Sorge Moskau, dass ein Angriff Japans nicht zu erwarten sei. Und schließlich der letzte Funkspruch: „Nach dem 15. September kann der sowjetische Ferne Osten vor der Gefahr eines japanischen Angriffs sicher sein. Ramsai“. Und somit konnten die Divisionen aus Sibirien sich in Richtung Moskau in Bewegung setzen. In den nächsten Tagen schloss sich der Ring um die Gruppe. Mit der Verhaftung Sorges’ und Odsakis’ am 18. Oktober 1941 endete ihre Aufklärungsarbeit. Für alle begann die harte Prüfung der Standhaftigkeit. Richard Sorge wurde zu einem Sinnbild von Standhaftigkeit, zum Ankläger und zugleich zum Verteidiger seiner Mitstreiter. Er nahm alle Verantwortung auf sich.
Der Lebensweg von Richard Sorge war trotz revolutionärer Wurzeln in der Familie ( sein Großvater war Revolutionär, dessen Cousin Friedrich Sorge Mitstreiter von Marx und Engels) nicht von Anbeginn vorgezeichnet. Sein Vater wetterte gegen diese Verwandten und alle „Roten“ und linke Sozialdemokraten, seine Ideale waren Bismarck und Preußen. Richard liebte seinen Vater nicht und das sollte sich auch im weiteren Leben nicht ändern. Er las viel, aber manches schien ihm zu unverständlich, zu philosophisch. Er war voller Tatendrang, nahm an sozialdemokratischen Versammlungen teil, suchte den Sinn des Lebens. Mit 18 verließ er sein Zuhause ging freiwillig zur Wehrmacht und in den Krieg. Die Teilnahme am I. Weltkrieg wurde für ihn eine große Schule, sie hinterließ ihm das Eiserne Kreuz II. Klasse, drei schwere Verwundungen und brachte die Ernüchterung – Wofür? Warum? 1915 machte er unter anderem Bekanntschaft mit einem 20jährigen Soldaten, Erich Correns – dem späteren Präsidenten des Nationalrates der Nationalen Front der DDR. Die jungen Leute diskutierten während ihres 6-monatigen Krankenhausaufenthaltes leidenschaftlich über den Krieg, das Leben, über die große Idee, der man sein Leben widmen sollte und sie wurden Freunde. Der Briefaustausch zwischen ihnen überdauerte viele Jahre.
Sorges’ weitere Reifestationen waren: Arbeit als Bergmann im Ruhrgebiet, Studium der Medizin, der Politökonomie, der Werke von Marx und Engels, nach der Oktoberrevolution bereitet er sich auf die Tätigkeit als Berufsrevolutionär vor, er wird Mitglied der USPD, nimmt am Kieler Matrosenaufstand teil, 1919 machte er in Hamburg Bekanntschaft mit Ernst Thälmann, wird Mitglied der KPD, entdeckt seine neue Leidenschaft – die Journalistik, schreibt politische Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, eine Broschüre im Parteiverlag unter dem Titel „Rosa Luxemburg und die Akkumulation des Kapitals“, arbeitet als Redakteur, Agitator und Propagandist, darunter auch an der Hamburger Universität, die er als Doktor für Staatsrecht und Soziologie abschließt, als Lehrer an der Technischen Hochschule Aachen, wird Sekretär des Stadtkomitees der KPD, steht an der Spitze des Streikkomitees gegen den Kapp-Putsch, wird verfolgt, kommt ins Gefängnis, wird ein Illegaler, hilft beim Aufstand in Sachsen.
Im April 1924 wird Sorge in Berlin in die KPD-Zentrale gerufen und für die Sicherheit der sowjetischen Parteidelegation verantwortlich gemacht. Das ist für ihn nicht nur ein Parteiauftrag, sondern ein Beweis höchsten Vertrauens. Er nimmt am IX. Parteitag der KPD teil und nutzt abends jede Gelegenheit, um die sowjetischen Genossen gierig über die Sowjetunion auszufragen, erzählt seine seltsame Biografie – geboren in Baku (Aserbaidshan), Mutter Russin, Vater Deutscher, erste Sprache Russisch, mit drei Jahren Umzug mit der Familie nach Deutschland. Manuilskij Sekretär des EKKI der Komintern sieht in ihm einen prinzipientreuen Kommunisten, jungen Theoretiker, sich gut in Fragen der internationalen Arbeiterbewegung auskennenden Funktionär und hielt es für möglich, dass Sorge seine theoretischen Arbeiten in der Sowjetunion fortsetzen und auch die Erfahrungen der deutsche Arbeiterbewegung verallgemeinern könne. 1927 schrieb Manuilkij kurz und knapp: “Ich kenne Genossen Sorge seit 1924 aus der Arbeit in Deutschland und halte ihn für einen vertrauenswürdigen Genossen“. Auch Ernst Thälmann schätze ihn sehr. Dieses Vertrauen genoss Sorge auch später bei allen seinen Mitstreitern, egal wohin ihn auch das Schicksal verschlug.
Im Dezember 1924 fuhr Sorge nach Moskau, wurde Sowjetbürger und 1925 Mitglied der KPdSU, arbeitete am Institut für Marxismus-Leninismus als Referent, politischer und wissenschaftlicher Sekretär. Abends war er aktiv im Klub deutscher Kommunisten, in dem er zum ersten Vorstandsvorsitzenden gewählt wurde. Er schreibt für Zeitungen und Zeitschriften unter verschiedenen Namen. Allein in 2 Jahren sind es 17 seriöse Untersuchungen, Sie werden von Freund und Feind gelesen. Die Freunde nutzen sie aktiv in ihrem Kampf, die Feinde verachten ihn.
Doch Sorges’ aktive Natur will mehr, will aktiv und direkt in den Kampf mit den Feinden, die gegen den sowjetischen Staat zu Felde ziehen. Es besteht Bedarf nach verlässlichen Informationen über die Lage im Fernen Osten, insbesondere in China und Japan. Sorge wird als Aufklärer der Roten Armee ausgebildet, bittet ihn nach China zu schicken. Dort bildet er eine Aufklärungsgruppe, die erfolgreich und rechtzeitig über alle wichtigen Ereignisse berichtet – die japanische Invasion in China und die dort wirkenden sowjetfeindlichen Kreise und Banden, über japanische Absichten für einen Überfall auf die Sowjetunion Verbündete in Europa und Amerika zu finden. Im Januar 1933 wurde Sorge nach Moskau zurückgerufen und einige Monate später in Japan eingesetzt.
Wir gedenken heute des Lebens und Wirkens von Richard Sorge, der am 18. Oktober 1941 verhaftet und nach jahrelanger Haft und Folter an seinem Feiertag, dem 27. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution hingerichtet wurde. Seine Peiniger und Henker ließen nichts an Zynismus und Bestialität fehlen. Gefasst ging er wortlos am Altar vorbei, lehnte jede Hilfe ab
Und meinte auf die Frage, ob er noch einen Wunsch äußern will: „Sagen sie allen, dass ich mit den Worten: “Es lebe die Rote Armee! Es lebe die Sowjetunion!“ gestorben bin. Es war 10 Uhr 20 als sich die Luke unter ihm öffnete. Die medizinische Expertise registrierte, dass sein Herz erst 10 Uhr 38 aufhörte zu schlagen. Stärker als sein Herz waren jedoch über den Tod hinaus sein Geist und seine moralische Kraft und Überzeugung.
Auf die Frage: Wer sind Sie Dr. Sorge? antwortete er seinen Peinigern: „Ich bin Kommunist“. Zu der Zeit, als er seine Aufklärungstätigkeit aufnahm, war Sorge bereits selbst ein hochgebildeter marxistisch aufgeklärter Mensch. Seine Häscher setzten nach seiner Verhaftung alle Mittel der Folter, der Fälschungen und Demütigungen ein, um an sein „Geheimnis“ zu kommen. Vergebens. Es gelang ihnen nicht aus Sorge eine Art Monster, Vorläufer von James Bond, Frauenheld, „Ritter mit Mantel und Degen“ zu machen.
Sorges’ Geheimnis war seine Überzeugung, der Marxismus als seine Weltanschauung, verbunden mit einem hohen Allgemeinwissen und Fremdsprachenkenntnissen, sowie herausragenden analytischen Fähigkeiten. Bei seiner Verhaftung wurden etwa 1000 Bücher beschlagnahmt – zum großen Teil über Japan. Ein 30 seitiges Manuskript zur Geschichte Japans wurde vom deutschen Marineattache verbrannt.
Kaum bekannt ist Sorges’ Beitrag zur Bildung des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt/am Main im Jahre 1924 und die Arbeit an der ersten Marx Engels Gesamtausgabe. Unter dem Namen R. Sonter veröffentlicht er eigene Aufsätze zur politischen Ökonomie. 1928 erschien sein Buch „Der neue deutsche Imperialismus“ (in 5000 Exemplaren), das auch in Japan verlegt wurde. Sorge lehrte in der Marxistischen Arbeiterschulung (MASCH). Aktuell bleiben seine Aussagen zur Kriegsgefahr, die von imperialistischen Staaten ausgeht. So verweist R. Sorge im Kapitel „Die Kriegsgefahr und der Kampf gegen sie“ unter anderem darauf, dass der Imperialismus immer neuere Methoden anwendet, einen Apparat zur Bearbeitung der öffentlichen Meinung aufbaut und als direkte Vorbereitung auf den Krieg das Massenbewusstsein mit Hetze und Lüge beeinflusst. Darunter sind solche Hetzparolen wie „Verteidigung der europäischen Zivilisation vor dem asiatischen Bolschewismus“. Im Generalstreik sah Sorge ein Kampfmittel zur Verhinderung von Kriegsabenteuern und schließlich auch für den Sturz der kapitalistischen Herrschaft. In seinen Aufsätzen wie auch in seiner praktischen Aufklärungsarbeit erwies sich Sorge zugleich als Wissenschaftler und Forscher.
Sorge, der gut Bescheid wusste über Europa, China und Japan, auch Amerika und Kanada kannte, untersuchte schon während seiner Studien über Japan alle Probleme aus marxistischer Sicht. So schrieb er: „Vielleicht werden manche Leser mit mir nicht einverstanden sein, aber persönlich bin ich überzeugt, dass marxistisches Herangehen an die Erforschung eines Landes mit aller Notwendigkeit die Analyse seiner Grundprobleme auf den Gebieten der Wirtschaft, Geschichte, sozialer Probleme, der Politik, Ideologie und Kultur erfordert…“ Sorge meinte von sich selbst, dass er unter normale friedlichen Bedingungen wahrscheinlich Wissenschaftler und nicht Aufklärer geworden wäre. Aber sein ungestümes Wesen vertrug angesichts der Entwicklung des ersten sozialistischen Staates in feindlicher Umkreisung kein Kabinettdasein. Er war voller revolutionärer Romantik, vermochte heiß zu lieben und tief zu hassen.
Sorge war Internationalist, kannte seit Kindesbeinen Vertreter vieler Nationen und so vermochte er in seiner Gruppe Ramsai den Deutschen Max Christiansen-Klausen, die Japaner Odsaki und Mijagi, den Serben Vakulic und andere vereinen und zu einem festen Kollektiv von wahren Humanisten von Menschen guten Willens zu schmieden. Die größte Heldentat der Gruppe Ramsai war ihr hingebungsvoller Kampf gegen die Kriegsbrandstifter. Unter Einsatz ihres Lebens setzten sich Sorge und seine Mitstreiter für den Frieden und den Schutz des sozialistischen Staates ein. Sorge zeichneten analytisches schöpferisches Denken, schnelles Erfassen von Situationen, Disziplin und Selbstlosigkeit aus. All dies verband sich bei ihm mit einer ausgeprägten Menschenkenntnis. So manche Gesprächspartner bekamen den Eindruck, dass Sorge auch ihre Gedanken lesen konnte. In seiner Kundschaftertätigkeit folgte er dem japanischen Spruch: „Denke, wenn Du dich einer großen Sache annimmst an die Kleinigkeiten“.
Dennoch war Sorge kein Übermensch. Nichts menschliches war ihm fremd. Oft litt er unter Schmerzen als Folgen seiner schweren Kriegsverwundungen. Nicht alle Zeitzeugen teilen die Meinung, dass Sorge auch manchmal Schwermut und Traurigkeit überfiel. Ruth Werner schildert in ihrem „Sonjas Rapport“, eine Begebenheit, als Richard an das Bettchen ihres neugeborenen Kindes trat und traurig vor sich hinsann, so als ob er dachte, wie schön es wäre, wenn auch ihm ein solches Glück als Vater beschieden sein könnte. Er liebte auch das Rasen auf dem Motorrad, das Ruth Werner einmal auch selbst mit Richard genoss und ihn dabei auch noch anspornte. Es war wohl auch eine Art Befreiung von Stress und Anspannung des Kundschafteralltages. Einmal ist es, als es wieder um eine schnelle Nachrichtenübermittlung ging, in Tokio zu einem Unfall gekommen, der, angesichts der bei Sorge in der Tasche mitgeführten Geheimpapiere, nicht nur für Sorge, sondern für die Gruppe das Ende bedeuten konnte. Aber auch in diesem Falle bewahrte Richard unter größten Schmerzen und bei Gefahr sein Bewusstsein zu verlieren seine Selbstbeherrschung und verhinderte einen gefährlichen Abtransport ins Krankenhaus mit all seinen Aufnahme- und Registrierungsfolgen.
Progressive Vertreter Japans vermochten die Leistungen der Ramsai-Gruppe angesichts dessen, was diese allein für die Verhinderung eines Krieges zwischen Japan und der Sowjetunion taten, gerecht und objektiv bewerten.
So schrieb der japanische Historiker Fudjiwara Akira:“ In einer internationalen politischen Situation der damaligen Zeit lösten Sorge und seine Genossen die schwierigste Aufgabe – wie praktisch der Kampf um Frieden geführt werden kann und widmeten sich mit großem Heldenmut der Tätigkeit, die sie als die im Interesse der Menschheit als die wichtigste ansahen“.
Die japanische Frau des Serben Branko Vakulic zitierte später aus einem der 159 Briefe ihres Mannes: “Wir kämpfen um den Frieden. Jetzt streben wir danach, dass es keinen Krieg zwischen Japan und der Sowjetunion gibt“.
Nach dem Krieg gelang es die sterbliche Überreste von Richard Sorge auf dem Friedhof Toma, wo viele Hunderte Antifaschisten begraben wurden, ausfindig zu machen. Seit 1956 erinnert eine granitne Grabplatte an ihn. Sorges’ treue Mitstreiterin und Freundin Issii Hanako schrieb zwei Bücher „ Der Mensch Sorge“ und „Alles über die Zusammenkünfte mit dem Menschen namens Sorge“. Sie war auch Bildhauerin und schuf eine Büste von ihm. Ihr Traum ging in Erfüllung. Sie konnte die Sowjetunion besuchen. Voller Trauer und gedankenversunken ging sie die Moskauer Richard-Sorge-Straße entlang und erinnerte sich: „Sorge war ein Mensch voller innigsten Edelmuts. Er sorgte sich stets um andere und wenig um sich selbst. Er wollte Frieden für alle Menschen. Ich weiß das, ja ich weiß das, wiederholte sie…“
Ja, so war und bleibt er in unserer Erinnerung. Richard Sorge – ein Mensch, ein Kommunist und Internationalist, Aufklärer der Sowjetarmee, Kundschafter des Friedens, Held der Sowjetunion.
Anmerkung des Verf.: Alle konkreten Bezüge, Angaben und Zitate sind entnommen aus: „Takim byl Richard Sorge“ (So war Richard Sorge) – russisch. Kolesnikow, Militärverlag des Ministeriums für Verteidigung der UdSSR, Moskau 1956.; Ruth Werner „Sonjas Rapport“ Verlag Neues Leben, 1977; “junge Welt” 16. April 2014. Nr. 90.