IL [ltalehti, Helsinki] sprach mit dem Führungsoffizier des Top-Spions Rupp, der die NATO ausspionierte: “Ich habe mein Land nicht verraten”

Laut Karl Rehbaum ist es auch dem Top-Spion Rainer Rupp zu verdanken, dass es 1983 nicht zum Atomkrieg kam.

Von Boris Salomon,

Iltalehti traf in Berlin einen Mann, der als Offizier des DDR-Geheimdienstes (HVA) den NATO-Spion Rainer Rupp anleitete.

Es handelt sich um Karl Rehbaum, der als Oberst im Ministerium für Staatssicherheit der DDR (Stasi) in der HV A-Abteilung XII für EU- und NATO-Angelegenheiten zuständig war.

Rehbaum, 85, ist trotz seines hohen Alters politisch aktiv. Nach seinen eigenen Worten kann er sich “als Rentner nicht bequem zurücklehnen”. Rehbaum hat zahlreiche Bücher und eine Reihe von Artikeln über seine Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit veröffentlicht, auf die er noch heute stolz ist.

Rupps Führungsoffizier

Obwohl er für die nachrichtendienstliche Bewertung der Europäischen Gemeinschaft zuständig war, schenkten er und seine Mitarbeiter ihr wenig Beachtung.

Karl Rehbaum lebt heute in der Nähe von Berlin, wo Iltalehti ihn getroffen hat. [Boris Salomon]

– Die Europäische Gemeinschaft (EG) befasste sich damals hauptsächlich mit wirtschaftlichen Problemen. Wir hatten viel interessantere und wichtigere Informationen von der NATO als von der EG, obwohl wir auch in der EG Quellen hatten. Zum Beispiel wurden solche politischen Entscheidungen wie heute damals in der EG nicht getroffen. Sie konzentrierte sich hauptsächlich auf wirtschaftliche Probleme.

Rehbaum war der Vorgesetzte und Mentor des westdeutschen NATO-Spions Rainer Rupp. Zwischen 1977 und 1989 erhielt Rupp, alias Topas, im NATO-Hauptquartier in Brüssel Dokumente, die der höchsten Geheimhaltungsstufe “Cosmic Top Secret” zugeordnet waren.

Rupp übermittelte Fotos von mehreren 1000 Seiten an Dokumenten. Sie enthielten unter anderem die Standorte, an denen die Stationierung von Marschflugkörpern und Pershing-Raketen in Westeuropa geplant war. Er lieferte unter anderem auch Analysen der NATO über den Warschauer Pakt, die Absichten der NATO und die Strategie der NATO gegenüber dem Warschauer Pakt. Der DDR-Auslandsgeheimdienst leitete die Dokumente rasch an den sowjetischen Sicherheitsdienst KGB weiter.

Rainer Rupps Ausweis für die NATO [Boris Salomon].

Die von Rainer Rupp und anderen Quellen erhaltenen Dokumente waren für die DDR nicht so bedeutend wie für den Warschauer Pakt. Sie waren vor allem für die Sowjetunion von großer Bedeutung.

Diese Dokumente spielten eine entscheidende Rolle für die Einschätzung der Absichten und der Strategie der NATO durch den sowjetischen Generalstab.

– Durch Rainer Rupp hatten wir jahrelang die NATO-Planung aller NATO-Staaten zur Verfügung. Wir hatten Informationen über die Sitzungen des damaligen Verteidigungsplanungsausschusses. Wir konnten aus den regelmäßigen Militärübungen unsere Schlüsse ziehen, was die konkreten Absichten waren und was die nukleare Zielplanung bewirken würde, sagt Rehbaum.

Der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker verlieh Rainer Rupp 1988 den Scharnhorst – Orden [Boris Salomon].

”Able Archer”

Rehbaum erklärt, dass in allen Übungsszenarien immer von einer ähnlichen Spannungslage wie in Jugoslawien und auf dem Balkan ausgegangen wurde, von einem Angriff der Warschauer-Pakt-Staaten und einer Eskalation von konventionellen Kampfhandlungen bis hin zu nuklearen Kampfhandlungen. Dann würde die NATO ihre Atomwaffen gezielt in bestimmten Gebieten einsetzen, erklärt Rehbaum die Übung.

1983 wurde eine NATO-Übung mit dem Codenamen “Able Archer” durchgeführt. Diese Übung hatte die Sowjetunion in Alarmbereitschaft versetzt.

Welche Rolle spielte dabei die Agententätigkeit von Rainer Rupp?

– Alle Nachrichtendienste des Warschauer Paktes hatten die Aufgabe, herauszufinden, ob die Vereinigten Staaten einen Atomkrieg gegen die Sowjetunion vorbereiteten. Die sowjetische Führung war über die Änderungen bei der regelmäßigen NATO-Übung “Able Archer” irritiert.

– Die Teilnehmer an der Übung hatten plötzlich die Art und Weise geändert, wie sie Informationen untereinander handhabten und kodierten, und zum ersten Mal im Jahr 1983 bezogen sie die Staatschefs der NATO-Länder in die Übung ein. Alles deutete also darauf hin, dass in der NATO etwas Besonderes vor sich ging.

Nach Angaben von Rehbaum hatte die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt ihre Atom- und Luftstreitkräfte in Polen und Ostdeutschland in Bereitschaft versetzt.

– Die sowjetische Führung war auf einen Gegenangriff vorbereitet. Rainer Rupp war einer der entscheidenden Informanten, die die sowjetische Seite beruhigten. Wir haben lange gebraucht, um die Sowjetunion davon zu überzeugen, dass die NATO nicht auf eine Kriegssituation mit den Staaten des Warschauer Paktes vorbereitet war.

Nach eigenen Angaben hat der sowjetische Doppelagent Oleg Gordievsky die Sowjetunion informiert.

– Im Vereinigten Königreich behauptete Oleg Gordievsky, der Resident des Auslandsgeheimdienstes des KGB und Doppelagent des britischen Geheimdienstes MI6, später, dass auch er eine wichtige Rolle bei der Beruhigung der Lage gespielt habe. Er hatte aber keinen Zugang zur NATO und konnte die Aktivitäten der NATO nicht beurteilen. Dank Rupp haben wir maßgeblich dazu beigetragen, einen Atomkrieg zu verhindern, sagt Rehbaum.

Im April 1998 forderten Demonstranten in Rostock die Freilassung von Agenten, die für die DDR spioniert hatten, wie Rainer Rupp. [Ullstein Bild]

“Ich habe mein Land nicht verraten”

Rainer Rupp, ein westdeutscher Staatsbürger, wurde 1994 in der Bundesrepublik Deutschland wegen Landesverrats zu 12 Jahren Haft verurteilt. Karl Rehbaum wurde ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Er ist Vorsitzender einer Arbeitsgruppe, die ehemalige Stasi-Agenten, die im Auslandsdienst tätig waren, rechtlich unterstützt.

Wie stehen Sie zur strafrechtlichen Verfolgung von DDR-Auslandsgeheimdienstlern nach der deutschen Wiedervereinigung?

– Wir hatten vorgeschlagen, dass die gegenseitige Spionage in Ost und West nicht strafrechtlich verfolgt werden sollte. Damals gab es auch einen Gesetzesentwurf von CDU und FDP, der eine ähnliche Regelung vorsah. Dieser Gesetzentwurf wurde auf Initiative der Sozialdemokraten unter dem damaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel abgelehnt.

– Damit wäre das Problem der deutsch-deutschen Spionage gelöst gewesen, was aber nicht geschah. Unsere Agenten wurden strafrechtlich verfolgt und Agenten des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und anderer Geheimdienste wurden freigelassen.

Herr Rehbaum ist nach wie vor der Meinung, dass die ostdeutschen Geheimdienstagenten in dem Versuch verurteilt wurden, das Gesetz zu umgehen.

– Sie haben unser Land nicht verraten. Ich wurde auch des Verrats beschuldigt. Aber ich habe mein Land, die DDR, nicht verraten. Im Gegenteil. Die Begründung der Richter ist ein interessantes juristisches Konstrukt, das bei näherer Betrachtung nicht haltbar ist.

Russische Positionen im Blick

Als Iltalehti Rehbaum interviewte, war der russische Angriffskrieg in der Ukraine bereits in vollem Gange.

Nach Rehbaums Ansicht hat der Krieg in der Ukraine die so genannte Sicherheitsarchitektur Europas, über die vor dem Krieg und nach der Invasion viel gesprochen wurde, nicht zerstört.

– Meiner persönlichen Meinung nach gab es keine solche Sicherheitsstruktur.

– Die NATO hatte sich von 16 auf 30 Staaten erweitert und bewegte sich immer weiter nach Osten, näher an die russische Grenze. In Estland ist die NATO direkt an der Grenze. Rumänien und Polen haben Luftabwehrsysteme installiert, die auch andere Raketen, wie z.B. Marschflugkörper, abfeuern können, die für offensive Operationen genutzt werden können.

– Die Stationierung von Flugabwehrraketen auf polnischem Boden diente, Medienberichten zufolge, der Abwehr von Raketen aus dem Iran. Doch diese Raketenabwehrsysteme hätten dann in der Türkei und nicht in Polen an der Ostsee stationiert werden müssen”, so Rehbaum, der damit die russische Position aufgreift.

Zuerst erschienen in der Boulevardzeitung ltalehti, Helsinki, Finnland am 17.10.2022.
(Übersetzung mit Hilfe von DeepL)