Nachruf
Am 24. April 2015 starb Hans-Joachim (Jochen) Bamler im Alter von 89 Jahren in Neuruppin. Er war der erste Resident des Auslandsnachrichtendienstes der jungen DDR, der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) in Frankreich. Sein Auftrag bestand darin, gemeinsam mit seiner Frau Marianne in der französischen Hauptstadt Paris, dem damaligen Sitz der NATO, eine Residentur aufzubauen und zu leiten. Die Bamlers waren Pioniere auf diesem Gebiet, denn es war die erste Residentur in einem NATO-Staat.
Als Marianne und Jochen Bamler im Mai des Jahres 1964 ihre Arbeit in Paris aufnahmen, gab es keine diplomatische Vertretung der DDR in Frankreich. Ihre operative Arbeit konnten sie nur zwei Jahre lang ausführen, dann schlug die französische Spionageabwehr DST zu. Beide wurden verhaftet und menschenunwürdigen Verhören unterzogen.
Warum tut ein Mensch sich das an, warum begibt er sich sehenden Auges in Gefahr und opfert wertvolle Jahre seines Leben?
Der Schlüssel ist Jochens Vater Rudolf Bamler, Sohn eines evangelischen Dorfpfarrers, der Abteilungsleiter in der militärischen Abwehr des Admiral Canaris und Generalleutnant der faschistischen Wehrmacht war.
Hans-Joachim Bamler wurde als dessen erstes Kind am 13. Juli 1925 in Berlin geboren. Die weiteren Stationen der Familie waren München, Wien und Danzig. Als sein Vater 1944 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet, setzte bei ihm ein intensives Umdenken ein. Rudolf Bamler engagierte sich im Nationalkomitee Freies Deutschland und nach seiner Entlassung im Jahr 1950 in der jungen DDR beim Aufbau der Kasernierten Volkspolizei, dem Vorläufer der Nationalen Volksarmee. Jochen, der selbst als junger Leutnant am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte, nahm eine Erfahrung aus dem Inferno mit: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Dieser Imperativ prägte sein weiteres Handeln ebenso wie die politischen Überzeugungen und Lehren, die ihm sein Vater vermittelte. So folgte Jochen seinem Vater 1950 in die DDR. Auch er wurde Offizier der Kasernierten Volkspolizei, aus der er fünf Jahre später aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde. Seinen eigentlichen Weg musste Jochen Bamler fortan selbst finden; das allerdings war in der DDR der 50er Jahre nicht immer leicht. Er arbeitete als Leiter eines Klubs junger Künstler und bei der Konzert- und Gastspieldirektion in Berlin. Anfang der 60er Jahre war er für die HV A tätig und bereitete sich auf seinen Einsatz in Frankreich vor.
Frankreich, das Land, in dem Jochen lebte und eingesperrt war, ist jedermann mehr oder weniger vertraut. Es steht für den Sturm auf die Bastille, die Pariser Kommune und das Savoir-vivre. Er hat es jedoch ganz anders erlebt.
Die Erfahrungen, die er mit dem französischen Staat machte, hinterließen bei ihm ein tiefes Misstrauen, und er hat seit dieser Zeit Paris nicht mehr besucht. Doch immer betonte Jochen Bamler, dass er mit den französischen Nachbarn gut und freundschaftlich zusammenlebte. Vor allem nachdem die Bamlers in der Rue Poulet ihre Bleibe gefunden hatten, fühlten sie sich unter den Parisern wohl.
Jochen, zu 18 Jahren verurteilt, war in den Jahren seiner Haft mit französischen Faschisten und Kollaborateuren zusammengesperrt, für die er nur Abscheu und Verachtung empfand.
Die Jahre in französischen Gefängnissen hat Jochen Bamler stets als verlorene Lebenszeit empfunden, zu seiner Arbeit als Aufklärer und zu den Idealen des Sozialismus jedoch stand er bis zu seinem Tod.
Peter Böhm
Im Namen der Arbeitsgruppe Aufklärer der GRH