Eher zufällig fiel mir das Buch von Generalmajor a.D. der Bundeswehr Gerd – Helmut Komossa mit dem Titel „Die deutsche Karte“ in die Hände. Es trägt den Untertitel „Das verdeckte Spiel der geheimen Dienste – Ein Amtschef des MAD berichtet.“
General Komossa war von 1977 bis 1980 Chef des Amtes für Sicherheit der Bundeswehr ( ASBw ), sowie des Militärischen Abschirmdienstes ( MAD ). Dies weckte mein Interesse.
Das Buch ist im Ares – Verlag in Graz 2007 erschienen. Dieser Verlag ist als Herausgeber für rechte Literatur bekannt. Er ist eine Tochter des rechtsextremen Mutterverlages Leopold Stocker – ebenfalls in Graz. Komossa befindet sich als Autor hier in gleichgesinnter Gesellschaft. So publiziert im Ares – Verlag auch der hinreichend rechtslastige ehemalige Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz Helmut Roewer. Weitere Autoren lassen insgesamt die Beurteilung zu, dass der Ares – Verlag als Plattform für Rechtsextreme, Antisemiten und Geschichtsrevisionisten gilt. So verwundert auch nicht, dass die vorgenannten Autoren keine Probleme mit dem Geben von Interviews mit rechten Publikationen wie „National Zeitung“, „Junge Freiheit“ und Jürgen Elsässers „Compact Magazin“ haben.
Komossa ist Präsident der „Gesellschaft für die Einheit Deutschlands e.V.“, welche von der „Bundeszentrale für politische Bildung“ gefördert wird. Auch hier befindet er sich in bemerkenswerter Gesellschaft.
Nun aber zu einigen Aspekten seiner Vorstellungen bezüglich politischen, juristischen, nachichtendienstlichen und militärischen Problemen. Meine Bemerkungen dazu sind keinesfalls als Rezension des Buches zu verstehen.
Verwunderlich ist generell seine anmaßenden Urteile über nachrichtendienstliche Fragen, wenn man bedenkt, dass er nur drei Jahre Dienst im MAD abgeleistet hat. Diese Zeit benötigt man normalerweise, um die Grundlagen und Spezifik einer solchen Tätigkeit zu verinnerlichen.
Erstaunlich die Auslassungen zur Schuld und Verantwortung „der Deutschen“ für die begangenen Verbrechen vor und während des Zweiten Weltkrieges.
Recht ausführlich spekuliert der Generalmajor über die nicht gegebene staatliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland. Im Mittelpunkt steht dabei die sogenannte „Kanzlerakte“ (angeblicher geheimer Staatsvertrag der BRD und der Westalliierten vom 21.5.1949), nach welcher die westlichen Siegermächte grundlegende Vorbehalte gegen die Souveränität Deutschlands bis 2099 festgeschrieben haben sollen, diese noch heute existieren und ihre Handhabung praktiziert wird.
Bei genauerer Draufsicht auf Teile der sogenannten „Kanzlerakte“ gibt es eine ganze Reihe Ungereimtheiten, die eher eine Fälschung vermuten lassen oder, wie man im geheimdienstlichen Termini sagt, eine „aktive Maßnahme“.
Bezüglich seiner Vergangenheit meint der General zu wissen, dass Leute wie er, die auf dem „russischen Kriegsschauplatz“ im 2. Weltkrieg Erfahrungen sammeln konnten, nach 1945 von den westlichen Alliierten gebraucht wurden. Deshalb auch die Ansammlung solch erfahrener Soldaten in der Bundeswehr. Er bestätigt die Erkenntnis, dass die Westalliierten am liebsten die ehemaligen Wehrmachtsangehörigen in alter Struktur für die Bundeswehr übernommen hätten, Soldaten, die „in den Weiten Rußlands tapfer gekämpft hätten“.
In diesem Sinne bezeichnet Komossa mehrfach die deutsche Wehrmacht als die besten Soldaten der Welt und rümpft die Nase darüber, dass dienstlich befohlen würde, wer zu ehren ist, so u.a. Überläufer der Wehrmacht, die durch Verrat den Tod vieler Kameraden in Rußland und anderswo zu verantworten hatten. Ein recht eigenartiger Umgang mit der Vergangenheit. Kein Wunder, nach Komossa wirkte der Korpsgeist der Reichswehr über die Wehrmacht hinaus noch tief in die Bundeswehr hinein. Allerdings, so meint der Herr General, war die deutsche Wehrmacht bis zum bitteren Ende völlig unpolitisch, die Ausnahme der 20. juli 1944.
Die politisch, militärisch und juristisch fragwürdigen Auffassungen dieses hohen Militärs finden einen ihrer Höhepunkte, bezogen auf den Warschauer Aufstand 1944, in der Behauptung: „Es ist schon eigenartig, dass ein Land (gemeint ist die Bundesrepublik) den ehemaligen Gegner rühmt, der damals aus dem Untergrund und aus dem Hinterhalt, entgegen der Genfer Konvention und meist, ohne die Waffen offen zu tragen, Soldaten des Feindes tötete“.
Der General weiter: Dieser Verstoß gegen Grundnormen des Völkerrechts könne nur moralisch gerechtfertigt werden. Hier verwechselt der Herr Generalmajor wohl etwas mit dem Yorckschen Marsch! Wenn auch das Thema Widerstandsrecht völkerrechtlich noch gegensätzlich diskutiert wird, steht dennoch fest: Aggression ist ein völkerrechtliches Verbrechen. Die Besetzung des betreffenden Landes ist völkerrechtswidrig. Demzufolge kann der Widerstand dagegen kein Vertsoß gegen das Völkerrecht sein. Folgt man konsequent der Meinung von Komossa, haben die sowjetischen, polnischen, französischen, jüdischen u.a. Partisanen und Widerstandskämpfer gegen das Völkerrecht verstoßen und nicht die Aggressoren. Ähnlich abstruse Auffassungen hat er über die Handlungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs zum Ende des 2. Weltkrieges ( Bombenkrieg, Morgenthau – Plan, Gefangenenbehandlung usw.).
Um die ideologische Verfaßtheit von General Komossa deutlich zu machen, hier noch einige, wenige Auszüge aus seinem Buch.
Auf Seite 106 ist zu lesen:
„Solange aber deutsche Poltiker in höchsten Staatsämtern das eigene Land nicht lieben und wegen einer zwölfjährigen dunklen Phase auf seine großartigen Leistungen in mehr als zweitausendjähriger Geschichte nicht stolz sein können bzw. es nach eigenem Bekunden sogar hassen, ist eine sachliche Erforschung der deutschen Geschichte des vergangenen Jahrdunderts behindert“.
Er wird auf Seite 108 noch deutlicher:
„Wer immer noch suggerieren will,…., dass in Stalingrad, Woronesh, am Wolchow, in Minsk und Kriwoi Rog Soldaten des Führers im Kampf um die Eroberung des großen Landes im Osten standen – freiwillig, begeistert, brandschatzend, vergewaltigend und mordend – bzw. , dass der deutsche Soldat, im Drang zu töten, das Riesenreich Rußland erobern wollte, der hat die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts nicht verstanden. Er macht sich der Geschichtsfälschung um den Judaslohn schuldig, als guter Demokrat zu gelten; gleichwohl lügt er ohne jeden Skrupel, obwohl die geschichtliche Wahrheit eine andere und deutliche Sprache spricht“.
Generalmajor Komossa mag vielleicht ein hochqualifizerter und erfahrener Truppenkommandeur gewesen sein, seine Erfahrungen im Nachrichtendiest sind dagegen eher bescheiden. In drei Jahren Verantwortung für den MAD kann man m.E. auch nicht die nachrichtendienstliche Perfektion erreichen. Die fehlenden fachlichen Voraussetzungen und die hinreichend bewiesene politische Disqualifikation für ein solches Amt, mußten zwangsläufig Auswirkungen in der Wahrnehmung der Verantwortung haben. Der MAD hat eher Schlagzeilen mit Affären und Fehlleistungen als mit Erfolgsmeldungen gemacht. Herausragend bei den Affären / Fehlleistungen können genannt werden:
– In der Amtszeit von Mimister Leber das Abhören in der Privatwohnung seiner Sekretärin
– In der Amtszeit von Minister Wörner die Intrigen gegen und die operative Bearbeitung von General Kießling
– In neuerer Zeit: der Beitrag des MAD beim Versagen in der Bearbeitung der Verbrechen des NSU
Wie bereits angeführt sah und sieht es mit Erfolgen in der nachrichtendienstlichen Tätigkeit eher bescheiden aus. Zugegeben, diese waren auch schwierig, denn der Chef der Spionageabwehr des MAD und einer der Stellvertreter des MAD- Chefs (auch von Komossa) Oberst Joachim Krase war eine sehr erfolgreiche und zuverlässige Quelle der Spionageabwehr (Hauptabteilung II) des MfS.
Der Umgang von Komossa mit seiner Verantwortung und Möglichkeiten im MAD soll an wenigen Beispielen dargestellt werden. Er bemühte sich z.B. um die Verbesserung des Vertrauens von Franz- Josef Strauß zum MAD, nachdem durch diesen Dienst zur Person von Strauß Ermittlungen und Beobachtungen durchgeführt wurden. Obwohl Komossa die Affären des ehemaligen Verteidigungsministers bekannt waren, behauptet er in seinem Buch „Die Beschuldigungen gegen den Politiker Strauß entbehren jeder Grundlage.“ und verbindet diese Behauptung mit nicht genau bezeichneten Verdachtsmomenten gegen andere, durch die rot – grüne Koalition begünstigte Politiker, die er aber namentlich nicht nennt.
Generalmajor Komossa kann durchaus auch „ vorausblickend“ mögliche Aufgaben der Bundeswehr benennen, so u.a.
„Für die gezielte rechtzeitige Gefahrenabwehr…bedarf es immer noch großer Anstrengungen….vor allem bei Einsätzen von Bunderwehreinheiten in Asien oder künftig vermehrt auch in Afrika.“…
„Es kann kaum ein Zweifel bestehen, dass sich die Bundesregierung nach ihrer demonstrativen Verweigerung im Irak, in Afrika nach und nach stärker engagieren wird, und zwar auch militärisch.“
An anderer Stelle: „Eines scheint sicher: Die NATO wird sich in Zukunft stärker als bisher auf den afrikanischen Kontinent konzentrieren… Und sie wird militärische Einsätze auch ohne die USA nicht mehr ausschließen“.
Bei seiner Verwendung im MAD habe er den Sinn von Murphys Gesetz besonders klar erkannt. Dieses Gesetz lautet: „Nichts ist so einfach, wie es aussieht, alles dauert länger, als man denkt. Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es schief“ (Die Lebensweisheit eines US-amerikanischen Ingenieurs).
Die menschliche Größe eines Offiziers und verantwortlichen Mitarbeiters eines Nachrichtendienstes erkennt man auch an seinem Umgang bzw. Beurteilung seiner Gegner. Es disqualifiziert Komossa regelrecht, wenn er bzgl. Generaloberst Wolf in seinem Buch formuliert:
„Er war der Mann, der in den Jahren der Teilung große Schuld auf sich geladen hatte, verantwortlich für Not, Tod und Elend.“ Und an anderer Stelle: „Markus Wolf hat in den drei Jahrzehnten seiner nahezu unbegrenzten Macht in der DDR und über die DDR hinaus mehr als 500 000 Menschen unmittelbar oder auch mittelbar in großes Unglück gestürzt. Er führte sie zum Verrat und zur Denunziation…,war er doch in Wahrheit nichts anderes als ein Feind der Demokratie und zwar ohne Gnade gegenüber seinem Gegner“.
Auch unzulängliche bzw. falsche Erkenntnisse verbreitet Komossa hemmungslos. So u.a. „war, Markus Wolf, Generaloberst, und Chef der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A), der NVA, und stellvertretenter Minister des Ministeriums für Staatssicherheit ( MfS )…“. Er bringt immer wieder die HV A und die NVA durcheinander, dabei müsste er als Chef gerade des MAD hier unterscheiden können.
Charakteristisch für Komossa sind auch seine abwertenden Bemerkungen über Oberst Krase. Er bemängelt den Bildungsstand, meint, er wurde ihm als Stellvertreter aufgezwungen und baute damit zwangsläufig den Verdacht auf, dass noch andere Offiziere Verbindung zu gegnerischen Stellen gehabt haben.
Schließlich soll hier noch angeführt werden, dass Generalmajor a.D. Komossa für seine geschichtrevisionistischen und reaktionären Vorstellungen eine Möglichkeit der Verwirklichung in der 1985 gegründeten „Gesellschaft für die deutsche Einheit e.V.“ (GED), deren Präsident er ist, gefunden hat. Gegründet von Personen, die in ihren Tätigkeiten mit dem „Kommunismus“ befaßt waren. Neben Komossa gehören beispielsweise zu den Gründungsmitgliedern Prof. Ekkehard Wagner, welcher sich mit Ostforschung beschäftigte und Helmut Bärwald, der letzte Leiter des Ostbüros der SPD – einer Spionagezentrale. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD erweiterte sich die Zahl der Mitglieder auch durch Rechtslastige auf diesem Gebiet, wie z. B. den Dredner Wolfgang Schwarz ( ein ehemaliger Republikaner ) und für das „Nationale Bündnis Dresden e.V.“ im Stadtrat von Dresden. Bei den durchgeführten Tagungen der GED sind illustre Gäste als Redner vermerkt. Inhaltlich wird die Oder – Neisse – Grenze zur Disposition gestellt, Komossa selbst bezeichnete die Wiederherstellung der Grenzen von 1937 als Ziel.
Noch etwas aus den Vorstellungen der Akteure der GED: So hätte es ohne den Vertrag von Versailles auch keinen NS – Staat gegeben. Man meint auch, dass das Bild des deutschen Soldaten eine richtige Würdigung erhalten müsse. Die Wehrmacht habe dem Treiben Hitlers machtlos gegenüber gestanden und nur ihre Pflicht erfüllt.
Es ist ein Skandal, dass solche Offiziere, deren reaktionären politischen Positionen überdeutlich zu erkennen waren, in solche Positionen, wie an die Spitze des MAD, gelangen konnten. Oder war es gewollt und Methode ?
K. Rehbaum
Februar 2016