… und Demilitarisierung der Ukraine.
Von Rainer Rupp
Das Szenario in der Ukraine erinnert ein bisschen an die Falle, die die ungarischen Revolutionäre im Jahre 1956 getappt sind. Damals hatte Washington der reformistischen, pro-westlichen Führung in Ungarn die Unterstützung der USA zugesichert, falls sie Moskaus rote Linien überschreiten würden. Auf der Grundlage solcher “Signale”, die auch von der US-geführten NATO kamen, verkündeten die Führer der ungarischen Revolution den Austritt des Landes aus dem Warschauer Pakt. Auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, der damals Ost und West in zwei unversöhnliche Blöcke spaltete, blieb dem russischen Staatschef Nikita Chruschtschow keine andere Wahl. Mit einer sowjetischen Militärintervention und mit Hilfe Moskau-treuer Ungarn wurde die Revolution blutig niederzuschlagen und das Land wieder in den Ostblock integriert.
Wer von den ungarischen Revolutionären fliehen konnte, wurde zwar im Westen aufgenommen, aber die erhofften US- und NATO-Hilfen waren ausgeblieben. Des ungeachtet hatte Washington sein Ziel erreicht, denn jetzt konnte die Sowjetunion, die wegen ihres Sieges über NAZI-Deutschland auch in den westlichen Ländern immer noch ein hohes Prestige genoss und vor allen bei linken Kräften viele Bewunderer hatte, jetzt auf Jahrzehnte verteufelt werden. Letztlich führte das zum Bruch vieler kommunistischer Parteien im Westen mit Moskau.
Im Fall der Ukraine hatte die Gefahr einer Wiederholung der Ungarn-Falle bestanden. Aber es ist US-Präsident Biden und seinem Außenminister Blinken zugute zu halten, dass Washington diesmal der ukrainischen Führung in Kiew keine falschen Versprechungen gemacht hat. Washington ermutigte zwar die Heißsporne und Russenhasser, den Brand im Donbass nicht ausgehen zu lassen, aber es hatte zugleich Kiew klar gemacht, dass im Ernstfall keine US-Soldaten der Ukraine zu Hilfe kommen werden. Denn dank Russlands erfolgreicher militär-technologischer Revolution kann der Westen auch in einem rein konventionellen Konflikt in Osteuropa nicht mehr gewinnen. Laut der Analysen US-eigener Militärstrategen würden die Amerikaner „innerhalb weniger Tage eine vernichtende Niederlage serviert bekommen“.
Trotzdem waren mächtige Kreise der westlichen „Wertegemeinschaft“ – nicht nur in den USA, sondern auch unter den transatlantischen Eliten in Europa, inklusive Deutschland – weiterhin stark daran interessiert, Russland in einen Krieg zu verwickeln, der allerdings auf die Ukraine beschränkt bleiben musste. Die zunehmend hysterischen Warnungen auf allen Medien-Kanälen vor dem bösen Putin, und die Meldungen von der immer wieder unmittelbar bevorstehenden, russischen Invasion, haben dafür den Boden vorbereitet. Der Abzug des US-Botschaftspersonals aus Kiew, die US/UK Notfall-Lieferungen moderner Raketen an die Ukraine zur Panzer- und Flugabwehr für die Front-Soldaten, also hauptsächlich für die NAZI-Einheiten im Donbass, haben für diesen Krieg die passende Begleitmusik geliefert und der schwelenden Glut aus Russenhass neuen „Sauerstoff“ zugeführt.
Zugleich hat Washington dem ukrainischen Präsidenten Selenski klar gemacht, dass er allein kämpfen muss, wenn er beschließt, Russland mit der Ausweitung der Kämpfe im Donbass zu provozieren und Putins „Rote Linie“ zu überschreiten. Biden hat Kiew allerdings versprochen, dass er im Falle einer russischen “Invasion” ganz schreckliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen wird. Von ihrem eigentlichen Ziel, nämlich Mitgliedschaft in der NATO, ist Kiew aktuell jedoch weiter entfernt, denn je.
Derweil hatte Selenski nur eine beschränkte und womöglich so gut wie gar keine Kontrolle über die faschistischen und anderen rechtsextremen Milizen und “Freiwilligen-Bataillone”, die in den Donbass Provinzen mit ständigen Bombardements und Schießereien die Sicherheit der dort lebenden russischen Bevölkerung lebensgefährlich bedrohten. Wirklich ernst in dieser Situation war, dass es nicht der gewählte Präsident Selenski war, der über Krieg und Frieden in der Ukraine entscheiden konnte. Vielmehr wurden diese Entscheidungen auf einer unsichtbaren Ebene zwischen CIA und MI6 und den rechtsextremen Bataillonen im Donbass getroffen.
Als der Kreml, der seit Monaten tagtäglich von US/NATO herbeigeredete, unmittelbar bevorstehenden Invasion partout nicht nachkommen wollte, und stattdessen weiter auf Verhandlungen setzte, weil z.B. Präsident Macron Verständnis für das Anliegen des Kremls zeigte und Putins Forderung nach gleicher Sicherheit im Europäischen Haus als „legitim“, bezeichnet, mussten die US/NATO-Falken befürchten, dass die Gelegenheit einen Krieg anzuzetteln ungenutzt verstreichen würde. Deshalb musste dringend ein anderer Weg gefunden werden. Den hatte Putin unbeabsichtigt selbst gezeigt, als er erklärt hatte, dass Russland nur dann in der Ukraine militärisch eingreifen würde, wenn die Ukraine davor steht, Mitglied der NATO zu werden, wenn die NATO oder einzelne NATO-Staaten nuklearfähige Raketen in der Ukraine stationieren und wenn die Bevölkerung im Donbass in Gefahr gerät, von Ukro-Nazis überrannt und abgeschlachtet zu werden.
Das sind die 3 Roten Punkte des Kremls. In allen drei Fällen hat Russland gewarnt, resolut zu handeln und die Ukraine zu demilitarisieren und zu defaschisieren.
Den Drahtziehern in Washington und London wurde schnell klar, dass Putins „Rote Linie“ Nr. 3 das Instrument war, mit dem man die Russen jetzt doch noch mit Hilfe der lokalen NAZI-Waffenbrüder zur Invasion provozieren konnte. Das ist ihnen auch gelungen. Dank der massiven Ausweitung der Artillerie-Angriffe auf Dörfer in den zwei Donbass-Republiken durch ukro-faschistische Einheiten in den letzten Wochen haben die US/UK/NATO-Falken ihre russische Intervention doch noch bekommen. Aber die scheint nicht so zu laufen, wie die ukrainischen Gewaltextremisten und Faschisten sich das vorgestellt haben, denn die Russen machen tatsächlich ernst mit der Entnazifizierung und Demilitarisierung der Ukraine und beschränken sich nicht auf den Donbass, sondern auf das gesamte Verwaltungsgebiet der Provinzen Donezk und Lugansk.
Laut russischem Verteidigungsministerium werden in der ganzen Ukraine die „Militärische Infrastruktur, Luftverteidigungseinrichtungen, Militärflugplätze und Flugzeuge der Streitkräfte der Ukraine mit hochpräzisen Waffen außer Gefecht gesetzt”. Dabei ist anzunehmen, dass dies mit den neuen russischen Raketen geschieht, gegen die der Westen keine Abwehrmittel hat. Zugleich betonte das russische Verteidigungsministerium, dass die russischen Operationen keine Bedrohung für die Zivilbevölkerung darstellen, weil nur militärische Objekte angegriffen werden.
Die einfachen Soldaten der ukrainischen Armee werden aufgefordert zu Hause zu bleiben, oder ihre Waffen niederzulegen und nach Hause zu gehen. Sollten sie jedoch von ihren Offizieren zum Kampf im Donbass gezwungen werden, wird sehr wahrscheinlich wieder das passieren, was 2014 schon mal geschehen war. Damals sind die ukrainischen Wehrpflichtigen massenhaft auf die russische Seite desertiert und von Russland wohlwollend aufgenommen und oft sogar eingebürgert worden. Denn Russland braucht gute ausgebildete Arbeitskräfte und zahlt weitaus bessere Löhne als in der Ukraine, wo hohe Arbeitslosigkeit und krasse Armut herrscht.
Aktuell herrscht im Westen helle Aufregung und Politiker und Medien überschlagen sich vor scheinheiliger Empörung.
Als die NATO-Mächte mit einem Lügenkonstrukt als Rechtfertigung vor etwas über 3 Jahrzententen einen Monat lang Bombenkrieg gegen Serbien führte, gab es nur wenige Krokodilstränen für die Opfer aber dafür umso mehr Selbstbeweihräucherung und Eigenlob für die mutige, humanitäre Intervention der westlichen Wertegemeinschaft. Und wenn die zionistische Soldateska in Ermangelung militärischer Ziele die hilflose Zivilbevölkerung in Gaza in Grund und Boden bombardiert, dann hört man in dieser humanitären westlichen Wertegemeinschaft keinen Muck von einem ernsthaften Protest. Und von Sanktionen zu reden, kommt erst recht keinem in den Sinn.
Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass es auch noch in den USA Politiker-Stimmen gibt, die sich nicht der hysterischen Russenhatz in den Medien anschließen. So hat sich die allseits bekannte demokratische Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard per Twitter folgendes wissen lassen:
„Dieser Krieg und dieses Leiden hätten leicht vermieden werden können, wenn Biden, US/NATO einfach die legitimen Sicherheitsbedenken Russlands in Bezug auf den Beitritt der Ukraine zur NATO anerkannt hätte, was bedeuten würde, dass US / NATO-Streitkräfte direkt an der russischen Grenze stationiert wären.” (4:57 BIN · Februar 24, 2022 · Twitter Web A)
Dennoch sind es wie 1956 auch diesmal wieder die US-Kriegstreiber, die zumindest kurz- wenn nicht sogar mittelfristig von der Krise profitieren, die durch die Entnazifizierung und Demilitarisierung der Ukraine entstanden ist. Das dürfte inzwischen auch dem naivsten Beobachter klar geworden sein.
Dabei ist Washington auf keinen Fall an einer Ausweitung des Krieges über die Ukraine hinaus interessiert. Aktuell ist für die Amerikaner der Zweck dieses Krieges bereits erfüllt: d.h. die Ukraine kann als armes und unschuldiges Opfer der russischen Aggression und Großmachtambitionen dargestellt werden. Von diesem Narrativ verspricht sich Washington zurecht eine neue Aufwertung der von dem Franzosen Macron bereits als „hirntot“ bezeichneten NATO.
Wenn Washington dieses Narrativ erfolgreich mit Hilfe atlantischer Politiker und Medien in den nächsten Monaten in die Köpfe der Menschen in Europa pflanzt, dann war die US-Operation in der Ukraine ein voller Erfolg. Denn dann wird die Mehrheit der Menschen in NATO-Europa in den USA wieder den unersetzbaren Beschützer gegen die russischen Barbaren sehen, Washington wird wieder als unser Retter vor den Feinden der Demokratie im Kreml gehuldigt. Ergebnis dieser erfolgreichen Ukraine-Operation der CIA wird sein, dass Washington als NATO-Führungsmacht seine politische, wirtschaftliche und militärische Dominanz über Europa für viele weitere Jahre ungehindert ausleben kann, zum Schaden aller Völker Europas.
Nur wenn möglichst viele Menschen ihre Stimme erheben und ihre Mitmenschen über die Hintergründe aufklären, kann diese düstere Zukunft verhindert werden.
Erschienen bei apolut. am 25.02.2022