von Doris Pumphrey
Putin und Trump, Trump und Putin. Seit Monaten bestimmt das antirussische Geschrei den Ton in Washington. Die Konzernmedien sind besessen von einer angeblichen “Einmischung” Russlands zu Gunsten des Wahlsieges von Trump. Die Demokratische Partei hat nichts zu bieten als den Kampf gegen Trump/Putin. Sie sucht nach Möglichkeiten den außenpolitischen Spielraum des Präsidenten zu begrenzen, um eine Politik der Verständigung mit Moskau zu verhindern.
Man fragt sich: Wo sind sie denn, die vielen “Linken” und “Progressiven”, die Anfang des Jahres auf den Straßen der USA demonstrierten und von vielen hierzulande geradezu als große Hoffnung bejubelt wurden? Wo bleibt ihr Protest gegen den immer gefährlicher werdenden russophoben Wahnsinn – oder bestätigt sich nicht gerade, dass die Demokratische Partei (mit freundlicher finanzieller Unterstützung der ihr nahestehenden Oligarchen) bei den Massenprotesten gegen den Wahlsieger Trump Regie führte?
Die anti-russische Hysterie treibt Blüten wie zu Hochzeiten des Kalten Krieges und McCarthyismus.
Hinter jedem Russen steht Putin, meint der demokratische US-Abgeordnete Quigley: “Wenn Sie sich mit irgendeinem Russen treffen, dann treffen Sie sich mit dem russischen Geheimdienst und deshalb mit Präsident Putin.”[1] In einem CNN-Interview am 16.07.2017
Für den obersten Koordinator der US-Geheimdienste unter Präsident Obama, James Clapper, liegt den Russen das Böse bereits im Blut. Er warnt vor ihnen, denn sie werden “fast genetisch dazu angetrieben, zu kooptieren, zu unterwandern, sich die Gunst zu erschleichen.” [2] NBC NEWS-Meet the Press, 28.05.2017
“Wir wurden und werden von einer feindlichen ausländischen Macht angegriffen” und dagegen helfen nur Bomben, ist das Rezept des Demokraten Paul Begala, einem engen Vertrauten der Clintons, der auf dem Sender CNN fordert, nicht nur über Sanktionen gegen Russland zu diskutieren, sondern “ob wir nicht den KGB, GSU oder GRU in die Luft sprengen sollten. Wir sollten massiv zurückschlagen.” [3] Siehe:
Am 25. und 27. Juli wurde schließlich ein umfassendes Sanktionsgesetz gegen Russland, Iran und Nordkorea in beiden Häusern des Kongresses von der Einheits-Kriegspartei aus Demokraten und Republikanern in einer beängstigenden Einmütigkeit bei nur 3 bzw. 2 Gegenstimmen verabschiedet – “zur Sicherheit der Amerikaner”, wie der Sprecher des Kongresses, der Republikaner Paul D. Ryan verkündete. Das Gesetz sei nötig, da Präsident Trump “unfähig” sei mit den “vielen Vergehen Russlands umzugehen”, so der demokratische Minderheitenführer im Senat, Chuck Schumer.
Hillary Clintons Wahlkampfleiter, John Podesta, frohlockte, dass der Präsident in die Enge getrieben wurde und das Gesetz über die Sanktionen unterzeichnen muss. [4] In einem Interview am 30.07.2017
Der auch in linken Kreisen hierzulande viel bewunderte Bernie Sanders, stimmte nur aus einem Grund beide Male gegen das Sanktionsgesetz im Senat, weil er befürchte, die Sanktionen könnten den Atomdeal mit Iran gefährden. Ansonsten aber mache er sich, wie er bei der ersten Abstimmung ausführlicher erklärte, “große Sorgen” wegen der Unterstützung Irans für das “brutale Assad Regime in Syrien.” Sanktionen gegen Russland aber hätten seine “volle Unterstützung”. Es sei “nicht hinzunehmen, dass Russland sich in unsere Wahlen einmischt, hier in den USA und überall auf der Welt. Es muss Konsequenzen geben für derartige Aktionen.” [5]Presserklärung vom 15.06.2017:
Der russophobe Druck der Demokratischen Partei muss enorm sein, wenn sich ihm sogar zwei Abgeordnete beugen, die sich wegen ihrer bisherigen mutigen Positionen, Abstimmungen und Handlungen weithin Anerkennung verschafft haben, nicht nur in den USA, sondern auch international. Die demokratischen Abgeordneten Barbara Lee und Tulsi Gabbard stimmten für die Sanktionen gegen Russland.
Barbara Lee hatte 2001 großen Mut bewiesen, als sie in der hysterisch aufgeladenen Stimmung nur wenige Tage nach 9/11 als einzige Abgeordnete gegen den Angriff auf Afghanistan stimmte. Man kann sich vorstellen, welcher Hetze und Denunziation als “Verräterin” sie daraufhin ausgeliefert wurde. Sie blieb standhaft und setzte sich auch danach konsequent gegen die US-geführten Kriege ein. In all den Jahren hatte sie darauf gedrängt, immer der Diplomatie den Vorrang zu geben. Bis zum Tag, als sich am Rande des G20-Gipfels in Hamburg die Präsidenten der beiden größten Nuklearmächte USA und Russland endlich trafen. Am 7. Juli erklärte sie in einem Tweet, sie sei “empört über Präsident Trumps 2-Stunden-Treffen mit Putin, dem Mann, der Angriffe auf unsere Demokratie orchestrierte.” Barbara Lee, die “Verräterin” fragt nun wo Trumps “Loyalitäten liegen”. [6] Siehe:
Tulsi Gabbard kennt als Irak-Veteranin den Krieg. Als Kongressabgeordnete bezog sie Stellung gegen die US-Interventionen und wurde zur scharfen Kritikerin von Obamas Regime-Change Politik im Nahen Osten. Sie machte von sich reden, als sie Anfang des Jahres Syrien besuchte. Neben ihren Treffen mit unterschiedlichen Kräften hatte sie auch eine Unterredung mit Präsident Assad. Sie kam zurück und plädierte für ein Ende der US-Unterstützung für Terroristen und für den Dialog mit dem gewählten syrischen Präsidenten. Sie war endlosen Attacken seitens der Neokonservativen und Interventionisten auch aus ihrer eigenen Partei ausgesetzt. Dem russophoben Druck gab sie nach – und stimmte für die Sanktionen.
Aber was kann man von Abgeordneten erwarten, wenn schon eine Angela Davis meint, Trump sei auch wegen “möglicher” russischer Einmischung kein legitimer Präsident. [7] In einer Rede am 14.01.2017 in Memphis, Tennessee:
Oder ein bekannter Vertreter der US-Friedensbewegung, Joseph Gerson, erklärt, man könne “Russlands verdeckte Handlungen in der Ukraine, seine mörderische Bombardierung in Syrien und seine mögliche Einmischung in die jüngsten US-Wahlen nicht ignorieren”. [8] Siehe:
Der einzige Silberstreifen am Horizont während der Kampagne für die US- Präsidentschaft war die Ankündigung des Kandidaten Trump bessere Beziehungen zu Russland zu suchen. Hillary Clinton, die Kandidatin der herrschenden Elite, hatte keinen Hehl daraus gemacht, die konfrontative Politik gegen Russland ihres Vorgängers fortzusetzen und zu verschärfen. Natürlich ist auch Trump ein Repräsentant des US-Imperialismus und natürlich würde niemand erwarten, der US-Imperialismus könnte plötzlich friedfertig werden. Kooperation der USA mit Russland ist jedoch der Dreh- und Angelpunkt der zumindest neue Möglichkeiten zur Entspannung der internationalen Lage schaffen kann. Genau das musste das US-Kriegsestablishment verhindern und darauf konzentrierte sich der Kampf der Demokraten, der Geheimdienste und Medien. Trump als Putins Marionette darzustellen war der Hebel, ihn in die Defensive zu drängen. Sein Vorgänger Obama hinterließ ihm auch noch “Minen mit verzögerter Wirkung”, wie der russische Außenminister Lawrow es treffend formuliert. [9] Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit dem kurdischen TV-Sender Rudav.
Der Einfluss der Demokraten und ihres Dunstkreises aus vielen NGOs auf “Linksliberale” und “Progressive” war erfolgreich. Wie brave Soldaten folgen sie der Vorgabe: “Trump muss weg”. Die Anti-Trump Ausrichtung scheint selbst viele von denen, die sich politisch links einordnen, blind zu machen gegenüber den offen zu Tage tretenden Machenschaften des “Tiefen Staates”. Oder es wird ihnen einfach zu ungemütlich genau hinzusehen, was in Washington und Langley abläuft, was für Untiefen der eigentlichen Macht sich da auftun. Wie der bekannte Journalist Finian Cunningham schreibt: “Die wirklich beunruhigende und abschreckende Wirkung geht von Trumps Feinden im Tiefen Staat aus. Sie wollen dem Chef im Weißen Hauses zeigen, dass er keinerlei Macht hat, eine Politik zu verfolgen, die sie nicht wollen. Sie liefern damit ein Lehrbeispiel für die Grenzen der US-amerikanischen Demokratie ab. Die Leute können wählen, wen sie wollen, aber das Schicksal des Präsidenten wird im Hintergrund von den wahren Machthabern entschieden.” [10]USA: “Ausmaß der Leaks über Trump zeugt von der Putschagenda des Tiefen Staates”, 12.08.2017
Viel bequemer ist es, die komplexen, vielfach undurchsichtigen und beängstigenden Vorgänge zu übersehen und auf die einfache Formel ‘Trump’ zu bringen.
Die verheerende und kriegerische Politik des Vorgängers wird ausgeblendet – Obama erscheint wie der weise Friedensengel am Horizont – und was nach Trump kommen könnte, darüber macht man sich erst gar keine Gedanken.
Doch es gibt Stimmen – wenn auch noch viel zu wenige – in den USA, die sich nicht davon abbringen lassen, Politik nicht nach der Person, sondern nach dem Inhalt zu beurteilen.
In einem Interview zum Thema “Wird die CIA die Anordnung Trumps befolgen, die Finanzierung der Terroristen in Syrien zu stoppen?” erklärt der investigative US Journalist und Mitglied des Syria Solidarity Movement, Rick Sterling [11] Will the CIA Obey a Trump Order to Stop Funding Terrorists? An Interview with Rick Sterling, 26.07.2017 :
“Der anti-Russland McCarthyismus ist so extrem, dass Trump anscheinend Angst hat, das Ende des CIA-Programms anzukündigen. Neokonservative stellen die Entscheidung als eine Konzession oder sogar als “Nachgeben” gegenüber Putin dar, weil sie den Konflikt fortsetzen wollen. Sie wollen Trump daran hindern die Spannungen mit Russland abzubauen und sich aus Syrien zurückzuziehen”.
Auf die Frage: “Und was ist mit denen, die nicht zugeben wollen, dass Trump jemals eine gute Entscheidung treffen könnte?” antwortet Rick Sterling: “Ob Obama, Trump oder John McCain, man sollte Politik und Handlungen nach ihren spezifischen Vorzügen und Mängeln bewerten, kritisieren oder unterstützen. Wenn Trump wirklich versucht, den syrischen Konflikt zu deeskalieren, dann ist das eine gute Politik. Man kann das unterstützen und trotzdem kritisch bleiben gegenüber seiner Politik und Handlungen in anderen Bereichen.”
Als Rick Sterling gefragt wird, was die Antikriegsbewegung in den USA machen müsste – “sofern sie existiert”- antwortet er:
“Es geht nicht um die Person, sondern um die Politik. Menschen, die sich um internationale Politik, Frieden und Gerechtigkeit sorgen, sollten sich in Schrift und Rede für Deeskalation engagieren, für Diskussion und Verhandlungen werben, auch mit Russland. Wenn Trump dafür eintritt, dann ist das eine gute Sache und wir sollten alles tun, dies zu unterstützen.”
Erschienen bei MEZ Berlin am 17.08.2017