..bei anderen gelesen:
von Horst Schäfer
Sie sind uniformiert. Sie fallen auf. Auch Ende August beim rassistischen Aufmarsch und den Ausschreitungen der Rechtsradikalen und Faschisten in Chemnitz. Mit ihrem Block, den Hunderten Marschierern in roten Pullovern mit der Aufforderung »Kämpfe«, den schwarz-weiß-roten Fahnen, den Transparenten »Kapitalismus zerschlagen«, »Nationaler Sozialismus jetzt« wollen sie ihre Partei Der III. Weg bei den Benachteiligten dieser Gesellschaft, vor allem in Arbeitervierteln, aber auch bei kleinen Gewerbetreibenden, ins Spiel bringen.
Ihre Ziele sind laut Programm – und das könnte zum Teil bei NSDAP- und SA-Führer Gregor Strasser abgeschrieben worden sein – »die Schaffung eines Deutschen Sozialismus, fernab von ausbeuterischem Kapitalismus wie gleichmacherischem Kommunismus« und die »Verstaatlichung sämtlicher Schlüsselindustrien«. Darüber hinaus fordern sie »die Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen«. Ganz friedlich selbstverständlich, sicher so ähnlich wie unter Hitler.
Der III. Weg und seine Hintermänner zielen – wie damals die NSDAP – darauf ab, durch scharfe antikapitalistische Rhetorik Verwirrung zu stiften, auch angesichts von linker Zurückhaltung bei der Kritik des kapitalistischen Systems. Viele der von der neoliberalen Wirtschaftsentwicklung ins soziale Abseits Gedrängten sollen angelockt und für faschistische Ziele missbraucht werden. Schließlich war das ihren Vorbildern in den zwanziger und dreißiger Jahren auch gelungen, die dafür von der deutschen Großindustrie kräftig geschmiert worden waren.
Aber wer fördert, wer finanziert heute den III. Weg, der unter anderem aus dem Freien Netz Süd hervorgegangen ist? Und wer hat die rechtsradikalen Akteure »beraten«, eine Partei zu gründen, die schwieriger verboten werden kann, als die dann verbotene Dachorganisation von fast zwei Dutzend neofaschistischen Kameradschaften?
Das müssten wir eigentlich von der Bundesregierung erfahren, von ihrem Innenminister Horst Seehofer und insbesondere dem AfD-Gesprächspartner und Ex-Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. Wie viele V-Männer und andere Einflussagenten werden ihn wohl regelmäßig über diese neofaschistische Partei informiert haben? Doch der Verfassungsschutz hatte ja trotz dutzender V-Männer um den NSU und den Weihnachtsmarkt-Attentäter Amri angeblich keinen blassen Schimmer von den mörderischen Umtrieben seiner angeblich Überwachten, geschweige denn von ihren Förderern.
Aber vielleicht bringt uns die Frage nach den bisherigen Erfahrungen des BfV mit einem anderen Dritten Weg der Antwort etwas näher. Da gab es von 1959 bis 1964 in der Bundesrepublik eine Zeitschrift Der dritte Weg, die einen »modernen Sozialismus« zwischen Sozialismus und Kapitalismus propagierte. Offizieller Gründer war der mit der Devisenkasse der FDJ (laut deutscher Wikipedia 300.000 DM) aus der DDR getürmte Funktionär der Jugendorganisation, Heinz Lippmann. Zu den journalistischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern gehörten Wolfgang Leonhard, Gerhard Zwerenz, Günther Zehm, Hermann Weber und Fritz Schenk.
Als offizieller Geldgeber trat die IG-Metall in Frankfurt/Main auf. Bald kamen allerdings Fragen auf, ob der Verfassungsschutz nicht auch eine Aktie an der Zeitschrift gehabt hätte. Spätestens 1964 lautete zum Erstaunen einiger ihrer Autoren die Antwort: Nicht nur eine Aktie, der ganze Dritte Weg gehörte dem Verfassungsschutz!
Damals war der frühere SA-Mann, Blut-Jurist und Mitglied einer SS-Polizeieinheit Hubert Schrübbers (CDU) Präsident des BfV. Wegen seiner Verwicklung in faschistische Verbrechen auch als Oberstaatsanwalt wurde er 1972, nach 17 Jahren Amtszeit, mit Höchstpension in Ruhestand geschickt. Sein Nachfolger wurde NSDAP-Mitglied Günther Nollau, der nach seiner Flucht im März 1950 aus der DDR schon im September 1950 in den noch gar nicht offiziell gegründeten Verfassungsschutz eingetreten und 1962 dessen Vizepräsident geworden war.
Nach seiner Pensionierung als BfV-Präsident schrieb Nollau in seinem Buch »Das Amt« (Seite 227/28), der Verfassungsschutz sei 1959 auf die Idee gekommen, »einen ›Dritten Weg‹ zu propagieren«. Damit hatte das BfV eine der vielen Desinformationskampagnen seiner Geschichte gestartet. Der Geheimdienst übernahm alle Kosten. Nollau habe damals erwartet, die Zeitschrift »werde in der illegalen KPD zersetzend wirken und uns die Möglichkeit eröffnen, unter den Dissidenten … Informanten zu gewinnen«.
Er, Nollau, sei praktisch der »Chefredakteur« des Dritten Weges gewesen, der bei den Artikeln »für die richtige Dosierung sorgte«. Die sei nötig gewesen, denn »um glaubwürdig zu sein, mussten wir auch den Kapitalismus und die Politik der Bundesregierung kritisieren«. Dabei habe es sich um einen »Balanceakt« gehandelt, dem er sich selbst widmete. Denn »die Angriffe mussten so dosiert sein, dass sie, falls das Unternehmen einmal platzte, vor der Dienstaufsichtsbehörde zu vertreten waren«.
Soweit einer der Vorgänger von Maaßen über Arbeitsweise und Aufgaben des deutschen Inlandsgeheimdienstes. Allerdings lüftete Nollau diese Interna des BfV erst nach seiner Pensionierung – und es waren dann auch keine Geheimnisse mehr. Denn wie er in seinem 1978 erschienenen Buch schreibt, seien »die Kollegen vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR« bereits 1961 dahintergekommen, wer den Dritten Weg auf den Weg gebracht habe.
Nun existiert zwar das erwähnte Ministerium nicht mehr. Aber Hans-Georg Maaßen könnte ja trotzdem in einem Buch »Das Amt, 2. Teil« ein wenig gucken lassen. Das würde doch sehr interessant sein.
Offensichtlich kann und will sich diese Regierung – und das ist verheerend – vom Rechtsaußen Maaßen nicht trennen. Ob er nun bei seiner »Versetzung« zur »rechten Sonder-Hand« des rechten Innenministers aufsteigt, oder ob er auf Grund der Proteste noch aus der Schusslinie genommen wird, um später bei Bedarf irgendwo an noch führenderer Stelle im Sicherheitsapparat der BRD wieder aufzutauchen, macht keinen Unterschied. Wir wollen nur erfahren, was die Einflussagenten und V-Männer des Verfassungsschutzes bei und seit den NSU- und Amri-Skandalen so alles angestellt und auch – siehe Nollau – gegründet haben und wer die Aufträge dazu erteilt hat. Auch bezüglich der Partei des III. Weges.
Denn schließlich gibt es da zumindest eine zeitliche Nähe. Maaßen übernahm das Amt im August 2012. Die neofaschistische Partei Der III. Weg wurde im September 2013 gegründet.
Erschienen bei Ossietzky 19 / 2018