Der frühere DDR-Topspion Rainer Rupp blickt eher kritisch auf das Wirken des verstorbenen letzten Staatspräsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow. Dessen politisches Agieren wäre größtenteils “naiv und dilettantisch” gewesen. Erste Kontakte zwischen den USA und ihnen zugeneigten ukrainischen Politikern hätte es bereits vor dem Ende der Sowjetunion gegeben.
Rainer Rupp war einer der erfolgreichsten Kundschafter der DDR und belieferte unter dem Decknamen Topas von 1977 bis 1989 seine Auftraggeber in der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR zuletzt direkt aus dem Brüsseler NATO-Hauptquartier. Es gilt als erwiesen, dass durch seine Tätigkeit und entsprechenden Informationen zum Beispiel im Jahre 1983 in einer äußerst angespannten militärischen Konfrontation während des NATO-Manövers Able Archer 83 ein drohender Atomkrieg verhindert werden konnte. In einem exklusiven Interview beantwortete Rupp Fragen von RT DE zum Tod des früheren Generalsekretärs des KPdSU und zugleich letzten Staatspräsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow.
Rupp geht nicht davon aus, dass Michail Gorbatschow in der damaligen Zeit seines Wirkens bewusst die Absicht verfolgte, den “Ostblock abzuschaffen”, trotz beiderseitiger Verhandlungen, sowohl zwischen USA und UdSSR als auch mit der BRD und der DDR. Er würde jedoch rückblickend dem damaligen Präsidenten der UdSSR unterstellen, “naiv und dilettantisch” gehandelt zu haben.
Gorbatschow hätte “den Versprechungen der Gegenseite geglaubt, ohne etwas in der Hand zu halten”. Rupp glaubt nicht, dass vom Anbeginn des Umbruches zum Jahreswechsel 1989/1990 bewusst eingeplant war, die DDR “an den Westen zu verkaufen”. Der damalige westdeutsche Bundeskanzler Helmut Kohl hätte gegenüber den Offerten von Gorbatschow zunächst sehr kritisch reagiert, andere westliche Partner warnten sogar ausdrücklich vor der neuen Politik der Perestroika in der UdSSR unter Gorbatschow.
Rupp resümiert dann noch einmal detaillierter, dass spätere Ereignisse und sich sehr dynamisch ändernde Machtkonstellationen zu jener Zeit einzig und allein aus dem “Dilettantismus” und dem naiven Agieren von Gorbatschow ergeben hätten. Im Endeffekt sei die DDR dann faktisch “verraten und verkauft” worden, so Rupp wörtlich.
Zur Bitte, einen Nachruf auf Gorbatschow doch in einem Satz zu formulieren, bemerkte Rupp diplomatisch “de mortuis nihil nisi bene”, also im übertragenen Sinne “von den Toten nichts als Gutes” zu sagen. Etwas direkter formuliert dann: Gorbatschow habe sich “bemüht, war dazu [zu der großen Verantwortung] aber nicht fähig”.
Lange nach dem Ende der DDR wurden am 30. Juli 1993 Rainer Rupp und seine Ehefrau – aufgrund der Erkenntnisse aus den sogenannten Rosenholz-Dateien – verhaftet und im Jahr 1994 vom Oberlandesgericht Düsseldorf schließlich “wegen schweren Landesverrats, der im Kriegsfalle ‘verheerend und kriegsentscheidend’ hätte sein können”, zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
Seine persönlichen Erfahrungen aus jener Zeit lauten, dass die sowjetische Seite sehr wohl hätte darauf achten müssen, dass die “DDR und ihre treuen Genossen” nicht verraten werden. Durch politische Unachtsamkeit seien jedoch Menschen schließlich doch “ans Messer geliefert worden”.
Dabei wurde “sehr, sehr Vielen” die materielle und soziale Existenz vernichtet. Mediale wie politische Ereignisse und Verurteilungen hätten zu einer unbekannt hohen Zahl von Selbstmorden geführt. Ein “Rachefeldzug gegen die Agenten der DDR” hätte durch ein vorausschauendes Agieren Gorbatschows verhindert werden können, so Rainer Rupps Überzeugung. Sein Lebensmotto als weiterhin bekennender Marxist, auch während der Zeit seines Gefängnisaufenthalts, würde daher noch immer lauten:
“Wir haben eine Schlacht verloren, aber der Krieg für eine gerechte Gesellschaftsordnung wird weitergehen.”
Alle Geschehnisse nach dem “Ende des Sozialismus” – und nach damaliger Weissagung in den USA und der NATO somit “das Ende der Geschichte” – wie auch die gerade aktuellen Ereignisse in der Ukraine würden heute nachdrücklich belegen, in “welche schlimme Situation uns diese Entwicklung gebracht hat”.
Zur Frage, welche Stimmung im Pentagon und im NATO-Hauptquartier in der Zeit zum Ende der Sowjetunion herrschte, umschreibt Rupp diese Atmosphäre als “Goldgräberstimmung”. Der “Osten, der Ostblock wie auch die Sowjetunion” lösten sich zum damaligen Zeitpunkt auf. Als erster Besucher der NATO wäre Ende der 1980er Jahre nicht zufällig der stellvertretende Handelsminister der USA aufgetaucht. Dieser sei dann direkt im Anschluss zur EU-Kommission in Brüssel weitergereist. Dabei ging es um bekannte “Filetstücke”, die man offensichtlich bereits untereinander aufteilen wollte. Dabei ließen die USA unmissverständlich verlauten, an dieser Aufteilung des “europäischen Hinterhofs” im Osten beteiligt werden zu wollen.
Im Rahmen der Pläne und Ereignisse rund um die Auflösung der UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) wurden unmittelbar auch “erste ukrainische Politiker” zur NATO nach Brüssel eingeflogen. Dort wurden sie jedoch in den vorhandenen US-Räumlichkeiten empfangen und “betreut”. Diese Räume befanden sich innerhalb des Areals vom NATO-Hauptquartier. Rupp spricht von unmittelbarem Erleben, da er bei diesen Gesprächen im Rahmen seiner noch weiterhin unerkannten Kundschafter-Tätigkeit anwesend sein konnte.
Schon damals galt die Direktive eines “stellvertretenden Botschafters”, es gelte zu verhindern, dass die Ukraine “je wieder zu Russland zurückkäme”. Es müssten “Pflöcke eingeschlagen werden”, solche Entwicklung unbedingt aufzuhalten. Demgegenüber hätte eine weißrussische Delegation im Anschluss an Gespräche mit US-Amerikanern Rupp unverblümt gefragt: “Was sollen wir eigentlich hier? Wir wollen nicht in den Westen.” Diese divergierenden Auffassungen innerhalb der UdSSR wären schon damals eindeutig erkennbar gewesen und hätten sich bis in die Gegenwart fortgesetzt, resümiert Rainer Rupp zum Ende des Gesprächs.