Friedensfrage muss in den Mittelpunkt!

Prof. Dr. Anton Latzo

1. Es wird viel über den Ukraine-Krieg gesprochen. Aber eben über KRIEG und weniger oder gar nicht über die wahren Ursachen und darüber, wie man zum FRIEDEN kommen kann. Die Außenpolitik der USA und der NATO-Staaten orientiert auf Lösung von Problemen mit militärischen Mitteln und Sanktionen – mit Gewalt! Das ist ein Charakterzug der internationalen Lage heute. Oder spricht im Westen jemand positiv über den 12-Punkte-Vorschlag Chinas?

Der Konflikt in der Ukraine ist nur in seinem komplexen historischen Zusammenhang zu verstehen und zu behandeln. Das Ignorieren dieser Tatsache kann zu einem unvollständigen Verständnis der Wege zu seiner Lösung oder sogar zu unrealistischen Entscheidungen führen.

2. Die Vorgänge werden isoliert und gewollt einseitig betrachtet, entstellt. Es wird unterschlagen, dass die Auseinandersetzungen in der Ukraine Bestandteil der aktuellen geopolitischen – aber auch der sozialen und ökonomischen weltweiten Prozesse sind.

Es wird ein Bild vermittelt, wonach die USA und diejenigen, die sich ihnen beugen, die Guten sind. Alle anderen sind die Bösen. Und Russland sowie die VR China sind die Inkarnation des Teufels!

Dieses Bild wird von bezahlten Denkfabriken und NGOs auf Bestellung erarbeitet und von den Medien massenhaft verbreitet.

Man sucht nach massenwirksamen Losungen, Forderungen, ohne die sozialökonomische und politische Situation zu erfassen, ohne die veränderten Bedingungen und die objektiven Zusammenhänge zu berücksichtigen (z.B. Osteuropa).

Aber es wusste schon der alte Goethe, dass sich in der konkreten Welt die Dinge nicht nach Belieben einrichten lassen. Dies ist nur innerhalb der gesellschaftlich gegebenen Möglichkeiten zu machen.

Warum will man es heute nicht mehr wissen? Vielleicht deshalb, weil heute nicht mehr „der Faust“ gelehrt wird, sondern nur noch „die Faust“ gilt.

Es müsste wenigstens bei den Linken und den Friedensbewegten auf Aufklärung über die Zusammenhänge und das Wesen der Vorgänge geachtet werden!

3. So hat auch dieser Krieg eine Geschichte, die aber völlig ausgeblendet wird. Sie beginnt nach der Oktoberrevolution mit den Interventionskriegen gegen die sich herausbildende junge Sowjetmacht, mit dem Ziel ihrer Verhinderung und Zerschlagung. Die UdSSR sollte es nicht geben. Sie wurde aber gegründet!

Es folgte der faschistische Überfall auf die Sowjetunion, der laut Aktenvermerk über eine Besprechung Hitlers mit Rosenberg, Keitel, Göring am 16. Juli 1941, u.a. zum Ziel hatte:

„Wir werden also wieder betonen, dass wir gezwungen waren, ein Gebiet zu besetzen, zu ordnen und zu sichern,“ 
„… wir betonen, dass wir die Bringer der Freiheit wären.“
„Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können.“
 (Zitiert nach: Der Nürnberger Prozess, Berlin 1960, S. 101)

Nicht zu übersehen ist die Herkunft, der Alldeutsche Verband, und auch nicht die Fortsetzung, die von Brzezinski veröffentlichte Strategie der USA. Es ist die Strategie des Imperialismus, die seit vielen Jahrzehnten gilt.

Nach der Niederlage des Faschismus kam zwar das Potsdamer Abkommen mit seiner antifaschistischen und antimilitaristischen Stoßrichtung – aber nicht für lange Zeit.

Denn es war bekanntlich Churchill und USA-Außenminister Byrnes, die den „kalten Krieg“ ausgerufen haben!

Dieser wurde angeblich nach 1989 mit der Zerschlagung der Sowjetunion und des Sozialismus in Europa beendet. Aber eben auf die Art und Weise von Gorbatschow und Jelzin! Deshalb wurde Russland zum „Partner“!

Nachdem die UdSSR zerschlagen wurde, ist jetzt die Zerschlagung der Staatlichkeit Russlands dran! Warum? Es geht um das „Kernland“!

Antwort gibt uns z.B. Z. Brzezinski. Sein Werk „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ wurde aber im Jahre 1997 (!) veröffentlicht und 2016 wieder aufgelegt. Also deutlich nach der angeblichen Beendigung des „kalten Krieges“.

Es gibt also eine bestimmte Kontinuität(!), die offen gelegt werden muss. Der Krieg ist Folge einer langfristigen Strategie, die den Kapitalismus für die Ewigkeit erhalten soll! Das spielt leider keine Rolle in der Öffentlichkeit. Auch nicht in den Überlegungen der Friedensgruppen.

4. Alles findet in einem bestimmten geographischen Raum statt, den die USA so sehen: „Eurasien ist somit das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft (also nach 1997!) der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird“. (S. 16)

„Der gesamte Kontinent ist von Vasallen und tributpflichtigen Staaten übersät“. (S.41) So werden von den USA die NATO-Bündnispartner eingeschätzt.

Wohlgemerkt: auch Deutschland wird dazu gezählt. Auch für Deutschland gilt, was Brzezinski „die drei großen Imperative imperialer Geostrategie“ nannte und wozu gehört: „Absprachen zwischen den Vasallen zu verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu bewahren, die tributpflichtigen Staaten fügsam zu halten und zu schützen und dafür zu sorgen, dass die ‚Barbaren‘-Völker sich nicht zusammenschließen“. (S. 65) 

Aber Imperialismus soll es laut den von den Monopolen finanzierten Stiftungen, Medien und Ministern heute nicht mehr geben!? 

Es gibt noch eine ganze Reihe wichtiger Faktoren, die die Kämpfe in der Ukraine erklären und diese als eine Etappe in der Strategie der USA erscheinen lassen.

Solche Aspekte spielen aber in den Medien, in den Analysen verschiedener Zentren, aber auch in der Friedensbewegung so gut wie keine Rolle.

5. Einen weiteren Gesichtspunkt möchte ich noch hervorheben, den Zusammenhang zwischen Innen- und Außenpolitik: Es wird völlig unterschlagen, dass die USA zur Durchsetzung ihrer zentralen Ziele auch Teilstrategien entwickelt haben, die das Militärische ergänzen und die Erreichung der Ziele ermöglichen sollen.

In den 1970er Jahren war es die „Konvergenztheorie“.

Im Jahre 1984 wurde das Institut Santa Fee im US-Staat New Mexiko vom Pentagon und vom US-State Department gegründet, um die Theorie des „gelenkten Chaos“ für die Geopolitik der USA passend zu machen.

In Anwendung ihrer Regeln und auf Grundlage des sogenannten Washingtoner Konsensus des IWF wurden etappenweise die westlichen Werte (sprich die Werte der Herrschaft des Kapitals) vielen Ländern aufgezwungen, nationale Wirtschaften wurden zerstört. Die Länder wurden in Rohstoffanhängsel umgewandelt. Die kulturellen und konfessionellen Traditionen der Regionen wurden verächtlich gemacht, ja zerstört.

Selbst die Kader werden für politische Ämter zentral vorbereitet. Die World Jung Leaders des WWF und die Soros-Einrichtungen sind ein Beispiel.

Die „Farbenrevolutionen“ mit Sturz von Regierungen, Zerschlagung der Staatlichkeit sowie Durchsetzung der Dominanz der USA wurden zum Begriff.

Das wurde auch in der Ukraine praktiziert, in Belarus probiert und wird sogar in Westeuropa eingesetzt, nicht nur in Frankreich!

Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Strategien (Teilstrategien) der USA zur Sicherung ihrer Hegemonie spielt aber überhaupt keine Rolle. Die Ereignisse werden sogar als Ausdruck von Demokratie dargestellt! 

Die Gefahren für den Frieden und die Sicherheit der Völker resultieren aus der Militarisierung der Politik und der Gesellschaft – aber nicht allein daraus!

Die Gesellschaft als Ganzes soll im Chaos „baden“ gehen damit die Alleinherrschaft der USA im ewig bestehenden Kapitalismus erhalten werden kann!

6. Die Bedeutung des 12-Punkte-Friedensplans der VR China sehe ich gerade darin, dass sie nicht nur auf die Ukraine-Frage eingeengt ist, sondern weltweit Bedingungen schaffen soll, die die selbstbestimmte Entwicklung und die gleichberechtigte Zusammenarbeit aller Staaten gewährleistet – einschließlich der Ukraine.

Redebeitrag zur Konferenz des OKV (Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden e.V.)
Dialog statt Waffen
überparteilich gegen den Krieg
Frieden mit Russland
am 27. März 2023 in Berlin