Von Prof. Dr. Anton Latzo
Die Endphase des von den Faschisten entfesselten 2. Weltkrieges, der die Sowjetunion auslöschen, die imperialistischen Konkurrenten des faschistischen Deutschland beseitigen und die Weltherrschaft Deutschlands herstellen sollte, war dank des siegreichen Vormarsches der Roten Armee angebrochen. Die Erfolge der Roten Armee wie auch das neue Kräfteverhältnis, das sich auf dem internationalen Schauplatz herausgebildet hatte, schufen günstige Voraussetzungen für die Tätigkeit der sowjetischen Diplomatie.
Vor 80 Jahren, vom 4. bis 11. Februar 1945 fand in Jalta, auf der Krim, die Konferenz der Führer der drei ehemaligen alliierten Staaten der Anti-Hitler-Koalition statt. Es war das zweite Treffen der Regierungschefs der drei Großmächte der Antihitlerkoalition.
Wichtige gemeinsame Beschlüsse im Kampf gegen das faschistische Deutschland und über die Gestaltung Deutschlands nach dem Sieg wurden davor auf der Moskauer Außenministerkonferenz (Oktober 1943), auf der Konferenz der drei Staatsoberhäupter in Teheran (November/Dezember 1943) und danach während der Potsdamer Konferenz gefasst.
Diese Konferenz war ein wichtiges Ereignis nicht nur für das Schicksal des deutschen Volkes, sondern ebenso für die Zukunft Europas und die Gestaltung einer friedlichen Weltordnung nach dem Sieg über den Faschismus.
Auf der Konferenz vereinbarten die Drei das Verfahren, um die bedingungslose Kapitulation des faschistischen Deutschlands zu erzwingen. Sie entwarfen den Beginn der vereinbarten Politik gegenüber Deutschland, der die Prinzipien seiner Demokratisierung und Entmilitarisierung zugrunde lagen.
Zum Ziel der Besatzung und der Kontrolle durch die Alliierten wurde erklärt, „den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören“.
Die Konferenzteilnehmer erklärten, dass es nicht ihre Absicht sei, das deutsche Volk zu vernichten. Sie betonten aber, „nur dann, wenn der Nationalsozialismus und Militarismus ausgerottet sind, wird für die Deutschen Hoffnung auf ein würdiges Leben und einen Platz in der Völkergemeinschaft bestehen“.
Die Sowjetunion hat schon kurz nach dem Überfall durch das faschistische Deutschland am 3. Juli 1941 in einer Erklärung der Regierung verkündet: „Dieser Vaterländische Krieg gegen die faschistischen Unterdrücker hat nicht nur das Ziel, die über unser Land heraufgezogene Gefahr zu beseitigen, sondern auch allen Völkern Europas zu helfen, die unter dem Joch des Faschismus stöhnen. In diesem Befreiungskrieg werden wir nicht allein dastehen. In diesem großen Krieg werden wir treue Verbündete an den Völkern Europas und Amerikas haben, darunter dem deutschen Volk, das von den faschistischen Machthabern versklavt ist. Unser Krieg für die Freiheit unseres Vaterlandes wird verschmelzen mit dem Kampf der Völker Europas und Amerikas für die Unabhängigkeit, für die demokratischen Freiheiten“.
Die Sowjetunion unterschied also von Anfang an klar zwischen dem deutschen Volk und dem faschistischen deutschen Imperialismus. Sie führte den Krieg zur Vernichtung des Faschismus. Sie setzte sich für die Befreiung des deutschen Volkes und für die demokratische Entwicklung des zukünftigen Deutschlands ein, was auch den Interessen der Menschen in Deutschland und darüber hinaus entsprach.
In diesem Sinne war die UdSSR bemüht, ein umfassendes Bündnis aller am Krieg beteiligten Kräfte gegen das faschistische Deutschland herzustellen. Die Bündnisbemühungen richteten sich auch auf die Zusammenarbeit mit den Regierungen der kapitalistischen Staaten und Großmächte.
Bereits vor dem Krieg hatte die UdSSR versucht, eine Verständigung mit den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens zu erreichen.
Deren Verhalten führte dann bekanntlich aber zur Politik des Münchener Abkommens, zur Annexion, zur Erweiterung Deutschlands auf Österreich und die Tschechoslowakei und schließlich zur Auslösung des zweiten Weltkrieges!
Das hat aber auch offenbart, dass das faschistische Deutschland die anderen imperialistischen Gruppen nicht nur als wirtschaftliche Konkurrenten ansah. Seine Weltherrschaftspläne wurden zur akuten Gefahr für die Selbständigkeit und sogar für die physische Existenz des Monopolkapitals Englands, Frankreichs und ihrer Verbündeten.
Erst unter diesen Bedingungen, als die Widersprüche zwischen den damaligen imperialistischen Hauptmächten – zwischen Deutschland und den Westmächten – größer als die Gegensätze zwischen den Westmächten und der Sowjetunion wurden, waren die Westmächte zu einer zwar widersprüchlichen, aber doch stärker konstruktiven Haltung gegenüber der UdSSR bereit. Erst unter diesen Umständen waren sie zur Zusammenarbeit bereit.
Diese internationale Konstellation der Kräfte hatte zur Folge, dass eine antifaschistische Front entstand, die sowohl die Massen des Volkes als auch Vertreter der herrschenden Klasse zum größten Teil einschloss.
Eigentlich genügend Stoff, um Schlussfolgerungen abzuleiten, die als Anregung für konstruktives friedenspolitisches Wirken auch unter den gegenwärtigen inneren und internationalen Bedingungen genutzt werden können. Der grundlegende Ausgangspunkt sollte dabei die damalige Erkenntnis sein, dass es ein gemeinsame Ziel gab, welches gemeinsames Handeln ermöglichte. Es bestand darin, die völlige Zerstörung des Faschismus und die Verhinderung seiner Wiedererrichtung dauerhaft zu sichern!
Das ist auch angesichts der veränderten Bedingungen notwendig geblieben. Die damals beteiligten Akteure haben zwar ihre Funktion und ihren Platz in den internationalen Beziehungen teilweise geändert, aber die ökonomischen, politischen und sozialen Widersprüche in und zwischen den Staaten sind geblieben. Und auf ihre Lösung kommt es an, wenn friedliche internationale Bedingungen und gleiche Sicherheit für alle gewährleistet werden sollen.
Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat bewiesen, dass es möglich ist, den Grundanliegen der Konferenz von Jalta auch in den Nachkriegsjahren zu folgen, dass dies ein für alle Völker ertragreicher Weg ist. Doch nach der Niederlage des Sozialismus in Europa und der Zerschlagung der sowjetischen Staatlichkeit wurden durch die Pariser Charta 21.11.1990) die KSZE-Ergebnisse offiziell annulliert.
Was nicht mehr in die Politik des „Regime Change“ der USA und der NATO passte, ließ man einfach weg, oder man verfälschte es einfach. So wurde zum Beispiel formuliert: „Wir erklären, dass sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden“.
Wieso erst „künftig“? Beruhte denn das Zustandekommen der Helsinki-Konferenz, ihre Arbeit und ihre Ergebnisse nicht auf Achtung? Warum wurde nichts zum Prinzipienkatalog gesagt, der durch die Konferenz – auch in Weiterentwicklung der UNO-Charta – verabschiedet wurde? Hatte man vielleicht Angst, dass offensichtlich wird, dass die Politik des „Regime Change“ in Widerspruch dazu steht. Man will das alles beseitigen, weil damit auch Jalta und Potsdam und was danach in Erfüllung der ehemals gemeinsamen Beschlüsse umgesetzt wurde, als etwas betrachtet werden soll, das angeblich nie geschehen war. Alles, was im Prozess der Beseitigung des Faschismus geschehen ist, soll in Vergessenheit geraten. Bleiben soll die Kontinuität der Vorherrschaft des Kapitalismus/Imperialismus und seiner Politik.
Schon am 17. August 1984 stellte der damalige Präsident der USA, Ronald Reagan, die Beschlüsse der Konferenz von Jalta in Frage und forderte deren Revision. Er sagte, dass die damaligen Vereinbarungen für Washington in der neuen Situation „keine akzeptable Alternative“ sei. Seine Äußerung wurde von heftigen Angriffen auf das damals noch sozialistische Polen und auf die Sowjetunion begleitet. Er erklärte, dass „die Trennlinie zwischen West- und Osteuropa nicht legitim sein kann“. Damit wurde die gesamte Nachkriegsstruktur in Frage gestellt und die Richtung der künftigen Politik der USA und der NATO vorgegeben. Es folgten die bekannten Ereignisse, die von der fremdbestimmten „Solidarnosc“ in Polen, über „Wirtschaftsreformen“ in Ungarn, Einverleibung der DDR, die Freundschaft Clintons und Kohls mit Jelzin bis Auflösung des Warschauer Vertrages und Verbleib und Ausbau der NATO und der amerikanischen Truppen in Europa/Deutschland, die Aggression gegen Jugoslawien bis zur Ukraine und zur ständigen Stationierung deutscher Truppen im Baltikum reichen.
Wir sind erneut in einer Situation, in der die USA und ihre Vasallen in der NATO eine Politik betreiben, die nicht nur die Revision der Ergebnisse des 2. Weltkrieges zum Ziel hat. Diese Phase ist schon weitgehend überschritten. Ihr Inhalt besteht heute in der Restauration und in der Absicherung jener Verhältnisse, die schon zweimal im 20. Jahrhundert zum Weltkrieg führten!
Zuerst erschienen im Freidenker am 11. Februar 2024