Glaubt man den USA, dann stärkt Russland in Syrien den IS
Von Rainer Rupp
Die USA werfen Russland vor, bei den Luftangriffen in Syrien hauptsächlich »gemäßigte Rebellen« zu bombardieren statt die Terrorgruppen des »Islamischen Staats« (IS). Es würden demnach diejenigen geschwächt, die von den USA, Großbritannien, Frankreich, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar mit Waffen und Geld unterstützt werden, damit sie mit Gewalt die rechtmäßige Regierung in Damaskus stürzen. Laut Washington sind diese »moderaten« Terroristen Teil der legitimen Opposition gegen den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad, die angeblich zugleich gegen den IS kämpfen. Aus diesem Propagandakonstrukt hat Washington die verblüffende Schlussfolgerung gezogen, dass durch russische Angriffe auf die »gemäßigten« Terroristen des Westens der IS gestärkt wird. Die Russen bekämpften daher in Syrien nicht den Terrorismus, sondern sie beförderten ihn.
Kritiklos wird diese in den Giftküchen der US-Spezialisten für psychologische Kriegsführung zusammengekochte »Logik« von den meisten westlichen Medien nachgebetet, auch wenn das der Realität Hohn spricht. In Syrien gibt es keine gemäßigten Aufständischen. Das mit 500 Millionen US-Dollar ausgestattete Programm, mit dem das Pentagon 5.400 »moderate Rebellen« für die »Freie Syrische Armee« (FSA) ausbilden sollte, wurde wegen desaströsen Versagens vor wenigen Tagen offiziell eingestellt. Von den bisher ausgebildeten Kämpfern waren zuletzt nur noch »vier oder fünf« übrig. Die meisten anderen waren mitsamt Waffen und Material zur Al-Nusra-Front, dem Al-Qaida-Ableger in Syrien, oder zum »Islamischen Staat« übergelaufen.
Aber selbst wenn es die »guten« CIA-Terroristen gäbe: Wie sollte die russische Luftwaffe zwischen ihnen und den »bösen« IS-Terroristen unterscheiden? Auf diese Frage gab der russische Außenminister Sergej Lawrow in der vergangenen Woche eine klare Antwort. In Anlehnung an das bekannte englische Sprichwort: »Wenn etwas aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es eine Ente«, sagte Moskaus Spitzendiplomat: »Wenn er aussieht wie ein Terrorist, wenn er sich benimmt wie ein Terrorist und wenn er kämpft wie ein Terrorist, dann ist es ein Terrorist.«
Je schwieriger die Lage inzwischen vor allem für Al-Nusra in der syrischen Provinz Idlib wird, desto lauter werden die Vorwürfe der USA, Russland bombardiere die »falschen Leute«. Präsident Wladimir Putin erklärte dazu in Moskau in der vergangenen Woche, dass die Leute, die so etwas behaupten, »Brei im Kopf« haben müssen. Denn Moskau habe gegenüber Washington wiederholt seine Bereitschaft erklärt, bei seinen Militäraktionen auf von den USA als »moderat« eingestufte Kämpfer Rücksicht zu nehmen. Dafür bräuchte man allerdings die Koordinaten dieser Gruppen. Auf das Angebot habe Washington jedoch überhaupt nicht reagiert, so Putin. Offensichtlich sind die USA nicht imstande, eine »gemäßigte« Gruppe vorzuzeigen.
Die angeblich »moderate« FSA ist nur noch eine Phantomarmee. Dennoch muss sie wenigstens auf dem Papier am Leben erhalten werden, denn das erlaubt der Obama-Administration, diverse Gruppen von Gewaltextremisten, die gegen die Assad-Regierung kämpfen, mit großen Mengen von Waffen auszustatten. Zu diesen Gruppen gehören auch die etwa 10.000 jungen Männer, die in den vergangenen Jahren von der CIA in verdeckten Programmen für den bewaffneten Umsturz der rechtmäßigen Regierung in Damaskus gedrillt und bewaffnet worden sind und die vor allem Al-Nursa, aber auch IS nahestehen.
US-Waffen und Gerät kommen bei den Dschihadisten an, das lässt sich anhand des schon legendären IS-Fuhrparks nachweisen. Der besteht hauptsächlich aus den für den Wüstenkrieg hervorragend geeigneten Toyota-Pritschenwagen, mit denen die schwarz gekleideten Männer für Propagandaaufnahmen posieren. Am 6. Oktober 2015 berichtete ABC-News, dass Beamte der US-amerikanischen Antiterrorbehörde bei dem Autobauer angefragt haben, wie der »Islamische Staat« an die großen Mengen funkelnagelneuer Geländefahrzeuge gekommen ist. Dabei lag die Antwort nicht in Japan, sondern in Washington. Schon im September 2014 berichtete die britische Wochenzeitung The Spectator, dass die US-Administration im Rahmen der »nicht tödlichen Hilfeleistungen« eine große Zahl Toyota-Wagen an Al-Nusra geliefert hat.
Erschienen in der Tageszeitung “junge Welt” vom 20.10.2015