Scheitern der US-Politik in Syrien
Von Rainer Rupp
Syrien droht zum spektakulärsten Debakel der Außenpolitik der Vereinigten Staaten seit Vietnam zu werden. Selbst in US-Finanzkreisen spricht man bereits von »Obamas Schweinebucht«, eine Anspielung auf das Scheitern der CIA-Invasion in Kuba 1961. Eine stillschweigende Bestätigung dieser Einschätzung ist die Bekanntgabe des Pentagon vom vergangenen Samstag, dass das mit 500 Millionen US-Dollar dotierte Programm zur Ausbildung, Bewaffnung und Finanzierung der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) zum Sturz der rechtmäßigen Assad-Regierung beendet wurde. Zugleich machte Barack Obama am Sonntag zwischen den Zeilen eines Interviews in der Fernsehsendung »60 Minutes« deutlich, dass die USA keine Möglichkeit sehen, ihre anderen Terrorzöglinge vor der erstaunlich schnellen und offensichtlich sehr erfolgreichen kombinierten Offensive von russischen Kampfflugzeugen und Bodentruppen der Assad-Regierung zu schützen.
Ursprünglich sollte das Pentagon 5.000 »Rebellen« ausbilden. Laut kommandierendem General des US-Oberkommandos Mitte (CENTCOM) haben nur 50 Leute die Ausbildung beendet, die meisten seien inzwischen entweder zu Al-Qaida oder dem »Islamischen Staat« (IS) übergelaufen, oder seien tot, nur vier oder fünf seien geblieben. Kein Wunder, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow die unsichtbare, aber vom Westen stets auf den Schild gehobene »gemäßigte« FSA als »Phantomarmee« bezeichnet. Keine Geisterarmee bilden dagegen die laut US-Quellen etwa Zehntausend Kämpfer (Syrer und Ausländer), die in verdeckten Operationen von der CIA ausgebildet und bewaffnet wurden. Der Westen präsentiert diese Gruppen als »gemäßigt«, obwohl die meisten inzwischen bei Al-Nusra (Al-Qaida in Syrien) oder beim IS kämpfen. Besonders Washington verurteilt die russischen Luftangriffe auf diese angeblich »moderaten« Verbände. Darauf antwortete Lawrow am Rande der UN-Vollversammlung in Anlehnung an ein bekanntes amerikanisches Sprichwort: »Wenn jemand wie ein Terrorist aussieht, sich wie ein Terrorist verhält und wie ein Terrorist kämpft, dann ist es auch ein Terrorist«.
Derweil beschuldigen die Falken in Washington, Obama übergebe »Syrien sang- und klanglos an Russland«. Aber auch sie müssen einsehen, dass ihre Optionen im Vergleich zur Zeit vor der russischen Militärhilfe »stark geschrumpft sind« (so Senator Angus King vom Geheimdienstausschuss des Kongresses). Mit dem Engagement der Russen seien weitere US-Luftoperationen über Syrien »sehr problematisch geworden«. Aber selbst die Scharfmacher wollen wegen ihrer Unterstützung syrischer Terrorgruppen zum Sturz Assads keinen direkten Krieg mit Russland riskieren. Daher wird Washington nichts anderes übrigbleiben, als sich entweder wie ein geprügelter Hund aus Syrien zurückzuziehen oder in den sauren Apfel zu beißen und sich zur Wahrung des Gesichts der russisch-syrisch-irakisch-iranischen Anti-IS-Koalition anzuschließen.
Erschienen in der Tageszeitung “junge Welt” vom 13.10.2015