Weit mehr als eine Gestalt der russischen Geschichte: Lenin und sein Erbe

Von Dagmar Henn

Was ist hundert Jahre nach Lenins Tod von seinem Werk geblieben? Manche glauben, dass es mit dem Ende der Sowjetunion untergegangen sei. Aber die Sowjetunion war nur die Spitze des Eisbergs. Der größere Teil dessen, was er bewirkt hat, wird jetzt erst sichtbar.

Vor hundert Jahren stand ein schmächtiger asiatischer Student in der Schlange, die am aufgebahrten Lenin vorbeidefilierte. Sein Name wurde in späteren Jahrzehnten weltbekannt, als er dem französischen Kolonialherrn eine gewaltige Niederlage bereitete. Sein Name war Ho Chi Minh. Dieser Moment fasst zusammen, was den Mann, dem er damals die letzte Ehre erwies, so bedeutend macht.

Man übersieht oft, wie eng unterschiedliche Ereignisse miteinander verknüpft sind. Ohne die Oktoberrevolution, ohne die Sowjetunion hätte es weder den Achtstundentag noch das Frauenwahlrecht gegeben. Hätten die Kämpfe für die Unabhängigkeit der Kolonien stattgefunden? Oder hätten sie schlicht den Besitzer gewechselt?

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Steinmeier und Scholz wachsen auf einem Holz

Von Oskar Lafontaine

Die SPD steht in einer Umfrage bei 13 Prozent. Deshalb gerät Olaf Scholz in der eigenen Partei zunehmend unter Druck. Jetzt hat sich Bundespräsident Steinmeier zu Wort gemeldet: “Wenn die Glaubwürdigkeit der Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind.”

Wenn ein Unglaubwürdiger einem anderen Unglaubwürdigen Unglaubwürdigkeit vorwirft, dann werden beide dadurch nicht glaubwürdig. Steinmeier fehlt hier die Erkenntnis, die einer seiner berühmten Vorgänger, Gustav Heinemann, hatte: “Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, dass in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn zurückweisen.”

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Was macht China in Davos?

Von Rainer Rupp

Unter Verschwörungstheoretikern sorgt die Teilnahme des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang am Welt-Wirtschaftsforum in Davos für Gesprächsstoff. Für Chinesen ist es eine Selbstverständlichkeit: Peking möchte nicht nur wissen, worüber dort geredet wird, sondern auch neue Geschäftsbeziehungen knüpfen.

Die Teilnahme Chinas in Davos ist für eine nicht zu übersehende Gruppe von Menschen der Beweis für die Existenz einer diktatorischen Weltregierung, unter deren Schirm sich die Eliten aller Welt, von den USA über Europa und Russland bis China vereinigt haben. Aus Sicht dieser Leute sind zum Beispiel die Kriege in Gaza und der Ukraine nur Ablenkungsmanöver fürs dumme Volk, damit das nicht hinter die Kulissen sehen und erkennen kann, dass die Eliten aller Länder unter einer Decke stecken.

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Florian Warweg im Gespräch mit Gabriele Gysi: „Die Macht muss hinterfragt werden“

Die Schauspielerin und Dramaturgin Gabriele Gysi hat im Westendverlag das Buch „Der Fall Ulrike Guérot – Versuche einer öffentlichen Hinrichtung“ herausgegeben. Zu diesem Anlass hat sie sich mit dem NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg zu einem Gespräch getroffen. Ein unterhaltsames Potpourri über die zunehmende Sanktionierung nicht genehmer Meinungen, sich ausweitende Denkverbote, westliche Arroganz bei gleichzeitigem intellektuellen Niedergang, Russland, die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen, die Rolle des World Economic Forum (WEF), ihr Blick auf die Bauernproteste und ihr Verhältnis zu ihrem Bruder Gregor Gysi.

Siehe Videoaufzeichnung des interessanten Gesprächs auf den NachDenkSeiten vom 16. Januar 2024 oder hier: https://www.youtube.com/watch?v=Ghid7RUlomM

Wohin soll die Reise gehen?

Von Prof. Dr. Anton Latzo

Unterschiedliche politische Lager schätzen ein, dass sich die Welt in einer „Ära globaler Veränderungen“ befindet, wie es sie seit einem Jahrhundert nicht mehr gegeben hat. Nicht alle sagen aber, in welche Richtung die Reise geht. Trotz Antikommunismus, Antisowjetismus, Russophobie, trotz Rückschlägen können wir heute feststellen: Vor 100 Jahren gab es noch keine VR China, es gab auch kein Indien. Es gab keine unabhängigen afrikanischen Staaten. Es gab „Europa“ und die Kolonialreiche seiner Mächte sowie die aufstrebenden USA, die die Weltkriege genutzt haben, um ihre weltweite Herrschaft aufzubauen. Die Wende wurde 1917 von der Oktoberrevolution in Russland eingeleitet.

Nach der Zerschlagung der Sowjetunion und der Niederlage des Sozialismus in Europa sind die aktuelle internationale Lage und ihre Entwicklung tatsächlich schwer berechenbar – wie lange nicht. Die Ursache: Die USA und die ehemaligen europäischen Mächte haben sich für den Kampf gegen den gesellschaftlichen Fortschritt entschieden. Für sie wurde der Kampf um Hegemonie zum Leitstern! Diesen Kampf tragen sie auch gegeneinander aus. Dafür führten und führen sie Kriege, Weltkriege! Wir mussten ein Jahrhundert voller Kriege erleben. Zwei davon, die beide von Deutschland ausgingen, waren Weltkriege. Und Deutschland erlebte dabei zwei Niederlagen.

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